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Tod in Deutschland (08.12.04)





Heike Herzog: Schwierigkeiten bei der Recherche, weil Behörden nur Floskeln verbreiteten und die Betroffenen Angst vor Abschiebung hatten




Der Selbstmord von Menschen, denen die Abschiebung droht, ist meist nur eine kleine Meldung wert. Zwei Journalistinnen haben sich des Themas angenommen, herausgekommen ist ein beeindruckendes Buch, das Autorin Heike Herzog am vergangenen Donnerstag im IBZ Friedenshaus vorstellte.




Von Mario A. Sarcletti

Am Anfang der Arbeit zu dem Buch »Sie suchten das Leben« stand eine Liste des Ökumenischen Kirchenasylnetzwerks Bayern. Zwölf Selbstmorde hatten die Flüchtlingsunterstützer seit der drastischen Einschränkung des Asylrechts 1993 gesammelt, Suizide von Menschen, denen die Abschiebung bevorstand. Die Sozialpädagogik-Studentin Eva Wälde wollte darüber ihre Diplomarbeit schreiben. Später stieß die Journalistin Heike Herzog dazu. Gemeinsam recherchierten sie, unterstützt von der Rosa Luxemburg Stiftung, weitere elf Fälle. Die 23 Selbstmorde ereigneten sich in Bayern, zehn dieser Flüchtlingsschicksale stellt das Buch vor.

»Die zehn Biographien decken das Asylsystem ab«, sagt Heike Herzog über das Buch, das ursprünglich gar keines werden sollte. Die Recherchen ergaben dann aber immer mehr Material. »Und wir wollten auch das Drumherum des Systems für Leute darstellen, die im Thema nicht so drin sind«, erklärt die Journalistin. Zum Drumherum gehört die Problematik der Abschiebehaft ebenso wie die Gründe, die Menschen dazu bewegen, ihre Heimat auf der Suche nach einem besseren Leben zu verlassen. Zum System gehört aber auch, dass Menschen sich aus Angst vor Abschiebung das Leben nehmen. »Suizide als Folge deutscher Abschiebepolitik«, lautet folgerichtig der Untertitel des Buches.

»Sein Motto ist: Bleiberecht für alle«, beschreibt Heike Herzog ihr Anliegen. Da ist es konsequent, dass sich »Sie suchten das Leben« auch mit dem Selbstmord von so genannten Wirtschaftsflüchtlingen auseinandersetzt. »Egal wie hier die Asylpolitik läuft: Es wird weiter Menschen geben, die versuchen hierhin zu kommen, um zumindest einige Zeit hier zu arbeiten und Geld nach Hause zu schicken«, glaubt Heike Herzog nicht an ein Ende der Migration.

Neben der Liste des Kirchenasylnetzwerks bildeten kurze Zeitungsmeldungen den Ausgangspunkt des Buches. »28-jähriger Kurde sprang vor S-Bahn«, zitiert Herzog die Schlagzeile eines solchen Berichtes. Die anschließenden Recherchen - die Journalistinnen sprachen mit Unterstützern, Freunden, Anwälten und Ärzten der Toten - gestalteten sich äußerst schwierig. »Viele wollten anonym bleiben, selbst bei Zusicherung der Anonymität wollten manche mit unsicherem Aufenthaltsstatus nicht mit uns zu reden«, erzählt Herzog. Manche Freunde der Toten hatten auch Angst vor den Geheimdiensten ihres Herkunftslandes, außerdem seien viele bereits abgeschoben worden. »Von Anfragen bei Behörden haben wir irgendwann abgesehen, nachdem wir immer nur Floskeln zu hören kriegten«, beschreibt Heike Herzog ein weiteres Problem der Recherche.