Im zweiten Teil dann kommt der Analytiker Theweleit zu Wort. Zunächst einmal stellt er eine deutliche Veränderung des Fußballspielens in den vergangenen Jahren fest und gibt auch gleich die Antwort, warum dem so ist: Die Fußballrevolution hin zum vernetzten Denken auf dem Platz und weg vom Wegkloppen und Leadertum macht er in den 70ern aus: Zunächst sind es die Niederländer, die den Raum auf dem Platz anders wahrnehmen, eben weil sie in einem Land leben, dass sowieso ein anderer Raum ist. Die Holländer selbst sagen: »Gott schuf die Erde. Aber die Holländer schufen Holland«. Das Land wurde dem Wasser abgetrotzt, überall sind künstliche, oft geometrische Raumordnungen entstanden. Dies habe sich auf die Denk- und Verhaltensweisen der holländischen Fußballspieler ausgewirkt, sagt Theweleit. Sie haben die Viererabwehrkette eingeführt, sie spielten den Ball, statt ihn blind nach vorne zu dreschen. Sie machten als erste die Räume eng, Pressing schon im Mittelfeld. Sie verschoben systematisch ihr Spiel, wechselten die Flügel, öffneten diagonal. Kurz: Sie dachten und spielten im Raum.
Dagegen sei die alte Variante des Fußballs als Männerkampfsport überholt, überhaupt das Gerede von Fußball als Krieg problematisch: Im Krieg gehe es um Zerstörung, im Fußball aber darf das Spielgerät nicht zerstört werden, sonst ist das Spiel vorbei. Und was im Krieg Feinde sind, sind im Sport Gegner, die erst einmal die gleichen Rechte haben.
Theweleit erklärt auch, warum die deutsche Fußballnationalmannschaft meistens erfolgreiche Turniere spielt, in der Champions-League und im Uefa-Cup in den vergangenen Jahren aber eine untergeordnete Rolle spielt, Theweleit schreibt über die Parallelwelten Fußball und Politik, über die gesellschaftlichen Verknotungen zwischen der politischen und fußballerischen Welt. Schließlich geht er auf einige Spiele der WM 2002 ein und beschreibt, wie auf dem Platz der gerastetere Raum entsteht. Und warum dabei Gameboys, wie sie auch die deutschen Nationalmannschaftsspieler mit sich herumzutragen pflegen, wichtig sind.
Alles in allem ein äußerst empfehlenswertes Buch, auch für diejenigen, die mit Fußball nichts am Hut haben. Denn dann können sie von einer fundierten Warte mitreden und einordnen, wenn mal wieder das Montagsgespräch nur ein Thema kennt: Die Fußballergebnisse vom Wochenende.
Klaus Theweleit: Tor zur Welt. Kiepenheuer & Wisch. 8,90 Euro. ISBN: 3-462-03393-x
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