Die Politik der neuen Lebensbestimmung (Teil 3)
Die Haus- und Grundbesitzer fürchten behinderte Mieter, die ihren gesetzlichen Anspruch auf lebensadäquaten Wohnraum einfordern. Die Versicherungswirtschaft grenzt gleich mehrere Gruppen aus, zum Beispiel Ausländer bei der Kfz-Versicherungspolice oder den Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei der Debatte um Unisex-Tarife.
Im November hat die Koalitionsarbeitsgruppe Rot-Grün einen neuen Gesetzesvorschlag eingebracht, den die Behindertenorganisationen akzeptieren. Die Debatte mit den Gegnern geht in eine neue Runde. Ein gesellschaftlicher Wandlungsprozess braucht Zeit, verdeutlicht Haack am Beispiel der Bildungspolitik im ländlichen Raum: »Zu meiner Zeit war es so, dass wir mit vier Leuten von dreißig Kindern zum Gymnasium gingen. Unsere Kinder haben Übergangsquoten um 50 Prozent erlebt. Daran wird der Paradigmenwechsel deutlich, der sich getan hat.» Aber von seinem Übergang aufs Gymnasium 1950 habe es praktisch 25 Jahre gedauert, bis die bildungspolitische Reformbewegung gegriffen hat, weil sie in den Köpfen der Menschen als akzeptiert galt.
Schritte von strategischer BedeutungAuch die Politik der neuen Lebensbestimmung von Menschen mit Behinderungen sei ein strategischer Kampf gegen Institutionen, die in ihren Entscheidungen historisch anders angelegt sind, erklärt Haack: »Das Ganze ist eine Echternacher Springprozession: Politisch drei Schritte vor, dann werden wir von den Widerständen gesellschaftlicher und institutioneller Art zwei Schritte zurückgedrängt. Aber der eine Schritt, der muss strategische Bedeutung haben und das haben wir erreicht.«
Den Fortschritt beweist, dass zwei Bielefelder Wohnungsgesellschaften, die ostwestfälische Arbeitsgemeinschaft der Wohnungswirtschaft und der Mieterbund OWL Fördermitglieder des Vereins »Lebensgerechtes Wohnen« sind. Überdies zählen die städtische Wohnberatung, soziale Verbände wie die Arbeiterwohlfahrt, Johanniter und Johanneswerk, die Stadtwerke und Handwerksbetriebe, die Erfahrungen und Angebote im Bereich »Lebensgerechte Dienstleistung rund um das Wohnen« vorweisen können zu den knapp dreißig Mitgliedern.
Ein Design für alleWas einer älter werdenden Generation in Küche, Sanitär- und Wohnbereich geboten wird, wird heute gern unter dem Begriff »Universal Design« diskutiert. Das bedeutet, alle Gegenstände des Alltags sollen möglichst vielen Zielgruppen zugänglich und dabei noch ansprechend gestaltet sein. Würden die Parameter für die Produktion von alltäglichen Gebrauchsgegenständen bis hin zur Konzeption von Häusern, Wohnquartieren und Städten den Ansprüchen von Kindern und denen alter Menschen gleichermaßen dienen, wäre das Ideal vom »Universal Design« erreicht.