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Schattenwelten (03.11.2004)






Vom 5. bis 14. November läuft das 15. Film&Musikfest der Murnau-Gesellschaft. Im Astoria und in der Oetkerhalle sind Klassiker des Stummfilms zu sehen, von komisch frech bis düster wahnsinnig begleitet von Live-Musik.

Am Freitag, dem 5.11. eröffnet »Nosferatu« das diesjährige Festival. Das Philharmonische Orchester Hagen wird Murnaus »Symphonie des Grauens« mit der Uraufführung einer aktuellen Komposition des Bielefelders Bernd Wilden begleiten. Diese erste Verfilmung von Bram Stokers Roman »Dracula« wurde in Lübeck, Wismar und am Originalschauplatz des Werkes, den Karpaten gedreht.


Die personifizierte Pest

Friedrich Wilhelm Murnau spielt geschickt mit den Mysterien der Natur. Hutter dringt in das Land der Phantome ein, wo Gespensterwölfe heulen und Pferde ohne Grund scheuen. Aber das Grauen erobert auch die sichere Stadt. Trotzdem ist Murnaus Vampirgraf keine bloße Horrorgestalt. Sein Nosferatu verkörpert konkrete Gefahren und symbolisiert vorstellbare Ängste, denn er ist die Personifikation der Pest. Der Schauspieler Max Schreck spielt in Nosferatu die Rolle seines Lebens. Den kahlköpfigen Unhold charakterisiert Melancholie und nicht die blinde Gier auf Blut und Leben seiner Opfer. Und darum gewährt ihm Friedrich Wilhelm Murnau im biedermeierlichen Schlafzimmer des jungen Bürgerfräuleins ein feierliches Vergehen im Licht der Morgensonne.


Tragik und Komik perfekt dosiert

Am Samstag dürfen sich Chaplin-Fans auf »Goldrush« freuen. Im Meisterwerk Chaplins sind Tragik und Komik perfekt dosiert. Zwar bleibt er der Figur des Tramp und seinen Themen treu: der Verfolgungsjagd, der Erfolgsbesessenheit und der komplizierten Suche nach einem liebenden, weiblichen Herzen. Mimik und Choreographie sind typisch und bekannt. In Goldrush jedoch erlebt der Tramp zum erstenmal wahre Männerfreundschaft. Aber weil ihn seine Ungeschicklichkeit immer wieder in Situationen bringt, deren Zusammenhänge er nicht begreift, bleibt er ein Einzelgänger.

Der international renommierte Spezialist für Stummfilmbegleitung Helmut Imig und die Bielefelder Philharmoniker lassen Goldrush zu einem Erlebnis für Auge und Ohr werden, verspricht die Murnau-Gesellschaft. Goldrush ist eine Veranstaltung der Städtischen Bühnen Bielefeld.


Schmetterlingen die Flügel ausreißen

Am Sonntag Vormittag zeigt das Astoria »The Unknown« des Regisseurs Tod Browning und »Die schwarze Natter«, beide begleitet vom Duo Piano. Brownings Hauptdarsteller Lon Chaney war ein Mann der tausend Masken und Verkleidungen. Für die Rolle des Alonzo in »The Unknown« lernte er, mit den Füßen zu essen, zu trinken und zu rauchen. Der Verwandlungskünstler Chaney und Regisseur Tod Browning, der sich als Jugendlicher in einem Wanderzirkus als »Lebender Leichnam« bestaunen ließ, bildeten also ein vielversprechendes Gespann. Aber die Kritik reagierte empört auf den Film und empfahl ihn nur denjenigen, »die gern Schmetterlingen die Flügel ausreißen und zusehen, wie Wurst hergestellt wird«.

Der heute fast vergessene Regisseur Franz Hofer war »der Mann, der die Frauen filmte«. Für seine Filme bevorzugt er das Milieu abseits wohlgeordneter Bürgerlichkeit. Seine Schauplätze sind das Variete und der Zirkus, seine Protagonistinnen Artistinnen und wagemutige Detektivinnen. Auch der Film »Die schwarze Natter« bezieht seinen Reiz aus geheimnisvollen Welten. Er spielt im Zirkus, in einem dunklen Schloss und in einer kargen, winterlichen Landschaft. Er zeigt Zirkusnummern mit Tieren, Verfolgungsszenen auf Dächern und einen rasanten Showdown.


»Der Film ist tragisch.«

Am Donnerstag, dem 11. November kommen Kaurismäki-Freunde im Astoria auf ihre Kosten: Sein Film »Juha« basiert auf einem berühmten finnischen Roman, der bereits dreimal, unter anderem 1937 von Mauritz Stiller unter dem Titel »Johan« verfilmt wurde. »Er zählt ein Dreiecksdrama. Der Film ist tragisch«, beschreibt Regisseur Aki Kaurismäki gewohnt knapp sein Werk.