Von Manfred HornAlles ist offen auf der kommunalpolitischen Bühne in Bielefeld. Die Wahlberechtigten zeigten sich bei den beiden Wahlgängen gespalten: Die eine Hälfte ging erst gar nicht hin, die andere Hälfte teilte sich grob gesagt in Befürworter von Rot-Grün oder Schwarz-Gelb. Mit rund 50 Prozent war die Wahlbeteiligung bei der Stichwahl um das Oberbürgermeister-Amt im Landesvergleich hoch und dennoch niedrig. Sie zeigt die sich verstetigende Tendenz, dass rund die Hälfte der Wahlberechtigten kein Interesse am parlamentarischen Betrieb hat. Sei es, weil sie nicht interessiert an Wahlen sind oder weil sie keine Partei sehen, die sie wählen könnten.
So hat die offizielle Politik mit schleichender, aber offensichtlicher Delegitimation zu kämpfen. Wieder, wie schon 1999, wurden Versprechen abgegeben, verstärkt auf die Bürger zuzugehen, gerade die SPD hängte sich diesmal besonders weit aus dem Fenster. Man darf gespannt sein, ob es tatsächlich zu mehr Bürgerbeteiligung kommt in den nächsten fünf Jahren. Denn die Bürger sind nicht doof: Sie merken genau, ob sie in ihrem Stadtteil zu Alibi-Anbindungsrunden eingeladen werden oder ob sie wirklich etwas zu entscheiden haben.
Der Rat selbst wird mit wechselnden Mehrheiten agieren. In den großen sozialen Fragen besteht eh Einigkeit: Dem neuen Rat gehören zu 95 Prozent Volksvertreter an, die die von der Bundesregierung eingeleiteten Sozialreformen Teil eines seit Jahren andauernden Umverteilungsprozesses von unten nach oben nicht nur kommunal umsetzen müssen, sondern auch als richtig, zumindest aber als alternativlos einordnen. Hier gilt sie längst, die große Koalition. Und selbst die Bürgernähe, neu im Rat, hat ein schwaches soziales Profil, kommt sie doch aus Initiativen, die sich vor allem aus Konflikten um Bauprojekte speisen. Ein nachgeschobenes »Wir sind gegen Hartz IV« kurz vor der Wahl wirkte nicht sehr überzeugend.
Eine zentrale Rolle werden die Grünen haben, sie haben bei der Wahl zugelegt und trotz verkleinertem Rat ein Mandat hinzugewonnen. Sie setzen auf eine Zusammenarbeit mit der SPD plus x. Für die zentralen Themenfelder Stadtgestaltung und Umwelt müssen sie sich Mehrheiten organisieren, und dies scheint nicht unrealistisch. Gegen überflüssige Straßenbauprojekte beispielsweise werden sicherlich auch die Bürgernähe und die PDS stimmen. Damit sind die Aussichten gut, in diesem Bereich in den nächsten Jahren einiges nach vorne zu bringen, zum Beispiel den Ausbau der Stadtbahnlinie 3 nach Theesen, der seit neuestem auch von der bis dato eher als Straßenplanungspartei auffälligen Bürgergemeinschaft für Bielefeld (BfB).
Andere Projekte hat die alte, abgewählte Mehrheit in Erahnung des Nahenden noch schnell unter Dach und Fach gebracht, so die Bebauung der Württemberger Allee oder der Ausbau der Landebahn des Flugplatzes Windesbleiche. Hier werden es die Grünen schwerer haben, nach Schrauben zu suchen, die diese Entwicklung wieder zurückdrehen.
Profiliert zeigten sich die Grünen in den vergangenen Jahren auch im Bereich der Videoüberwachung im öffentlichen Raum. Die laufende Überwachung im Ravensberger Park ist ein politisches Produkt einer politischen Mehrheit, die unbedingt überwachen will. Hinzukommt seit kurzem die Überwachung der Haltestellen am Jahnplatz. Hier werden die Grünen die SPD von der Sinnlosigkeit dieser Pseudo-Sicherheitsmassnahmen erst überzeugen müssen.