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Wissen schaffen über den Terrorismus der RAF (Teil 4)





Ein Sozialrebell tötet und wird getötet. Das spätere RAF-Mitglied Christopf Wackernagel im 1967 gedrehten Film »Tätowierung«



Authenizität im Dienste des Schlussstrichs

Die will Endgültiges bewirken. Dazu setzen die Filmemacher auf eine Mischung aus historischen Originalaufnahmen und nachgespielten Szenen, in der Regel Dialogen. Die historischen Bilder, die als solche nicht viel aussagen, werden durch die rekonstruierten Szenen kontextualisiert und aufgewertet. In solchen »inszenierenden Spielfilmen« werden Lesarten vorgegeben, sagt Uka: »Weil man authentisch rekonstruiert hat, hat man eigentlich nichts mehr zu sagen«. Es handelt sich dabei um wirkungsmächtige Fiktion, denn keine Rekonstruktion keine alle Fragen beantworten oder alles Geschehene richtig darstellen. Dieser filmische Finalismus wird dennoch immer wieder probiert, beispielsweise in »Das Todesspiel« von Heinrich Breloer, der den deutschen Herbst 1977 in den Blick nimmt und passenderweise exakt 20 Jahre später in die deutschen Kinos und Fernsehstuben kam.

In der Sturm- und Drangperiode der Linken in den späten 1960er und den 1970er Jahren habe es eine ganze Reihe »kritischer Heimatfilme« gegeben, berichtet Uka. Diese Filme hätten »in einem vagen Sinn« Verständnis für Gewaltstrukturen zu wecken gesucht. Er nennt beispielsweise den 1967 gedrehten Film »Tätowierung‹ von Johannes Schaaf : Der Fürsorgezögling Benno – gespielt von Christopf Wackernagel – später selbst bei der RAF – erschießt darin seinen Gönner. Dieser und eine ganze Reihe weiterer Filme arbeiteten mit der Figur des Sozialrebellen, die sich in eine gefährliche Lage begeben, meist von der Justiz gestellt und manchmal sogar hingerichtet werden. Es sei auch kein Zufall gewesen, dass Volker Schlöndorff 1969 Michael Kohlhaas abdrehte. Sozialrebell Kohlhass lebte zwar im 16. Jahrhundert, aber die strukturellen Parallelen zur Gegenwart waren offensichtlich.
Aber Uka schränkt ein: »Für die Zuschauer ergaben sich durch diese Filme zwar Parallelen, aber keine aktuellen Statements zur RAF«.

Der bekannteste Film dieser Zeit ist »Die verlorene Ehre der Katharina Blüm«, 1975 ebenfalls von Schlöndorff gedreht. Hier ist die Protagonistin kein Sozialrebell, sondern jemand, die unschuldig in den Repressionsapparat des Staates gerät und unter dem Müll der Sensationspresse begraben wird. Dieser Film fragte explizit nicht nach Sinn oder Unsinn von revolutionärer Gewalt sondern nach den Folgen von zugespitzter Innerer Sicherheit. Auffällig seien die Großaufnahmen im Film gewesen. Uka hat jedoch eine überraschende Antwort parat: Nicht neues ästhetisches Prinzip, um besondere Empathie zu erwecken, sondern dem 1974 beschlossenem Film- und Fernsehabkommen sei dies geschuldet: Viele Filme wurden zugleich fürs Kino und fürs TV produziert und mussten auf beiden Medien darstellbar sein. Nicht beantworten kann Uka die Frage, inwieweit die Filmemacher institutionellen Zwängen unterworfen waren. Schlicht, weil des darüber keine Untersuchungen gibt.