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Wissen schaffen über den Terrorismus der RAF (Teil 3)





Authentischer Anspruch: Der Film ›Das Todesspiel‹, der 1997 die Geschichte der Entführung und Ermordung des Hans Martin Schleyer nachinszenierte



Schleyer wurde medial zum Opfer kodiert

Die Person Schleyer erfuhr eine mediale Umdeutung, hebt Steinseifer hervor. Der Präsident des Arbeitgeberverbandes und des Bundesverbandes der deutschen Industrie war in seiner Vergangenheit überzeugter Nationalsozialist und wurde als herausragende öffentliche Person verbal immer wieder attackiert. Der ›Spiegel‹ und andere Medien machten aus ihm während der Entführung ein Opfer brutaler Taten, konstruierten den Menschen Schleyer, seine politische Biographie wurde dabei weggeblendet.


Andreas Musolff von der Universität Durham in England ging es in seinem Beitrag um die Kriegsdeutung terroristischer Gewalt. »Es ist eine kognitive Bewegung nötig, um das, was passiert, als Krieg zu definieren«, sagt er. Ab 1971 habe sich die RAF mit ihrem Konzept der Stadtguerilla als kriegsführende Partei verstanden, Anschläge wurden in den Zusammenhang mit dem weltweiten Kampf gegen den US-Imperialismus gestellt. Als dann 1972 die erste RAF-Generation im Gefängnis saß, erklärte sich diese zu Kriegsgefangenen. Daraus würde sich nach internationalem Recht ein besonderer Status ergeben, den die Regierung aber ablehnte. Dennoch: Die Medien seien auf das Kriegskonstrukt sehr wohl eingegangen, befindet Musolff. Ihr Tenor: Diese Staatsgegner sollen eine Sonderbehandlung bekommen. Die ging allerdings in eine andere Richtung, bedeutete sie doch verschärfte, isolierte Haftbedingungen.


Medien mitverantwortlich für Kriegsmetapher

Die Medien machten, so Musolff weiter, aus den linken Solidaritätsgruppen ein riesiges militärisches Herr, Bataillone, die bereit zum Kampf stehen. Dabei standen diese meist kritischer, mindestens aber diffuser zur Gewaltstrategie der RAF. Musolff sieht in der Summe ein »Hochschaukeln der Deutungsperspektive« hin zu einer Kriegshysterie. Den Höhepunkt erreichte diese im Deutschen Herbst 1977. Golo Mann, wertkonservativer Vertreter der Schriftsteller-Familie, schrieb damals in der ›Welt‹: »Wir befinden uns im Krieg, wir stehen zum Töten entschlossenen Feinden gegenüber. Und an diesem Krieg ist die Bundesrepublik unschuldig wie ein Engel«. Der diskursive Bruch erfolgte kurze Zeit später, Politik und Medien fahren unisono ihre militärische Sprache herunter. Sogar die CDU spricht dann in den 1980ern nicht mehr von Krieg, sondern von Terrorismus. »Ohne die Kriegsrhetorik aber wurde dem Terrorismus weitestgehend der Boden entzogen«, resümiert Musolff.

Walter Uka, Kulturwissenschaftler an der Universität Lüneburg, ging auf die spielfilmerischen Auswirkungen des Terrorismus ein. Bewegte Bilder bewegen: So baute der us-amerikanische Western einen Mythos von der Entstehung der Vereinigten Staaten auf, immer an der Grenze von Zivilisation und Natur. Für Uka ein »verklärter, verschleiernder und verfälschender Blick«. Unter anderem, weil er die Ausrottung der Indianer verschweigt. Die Frage, ob es eine solche Mythologisierung auch mit der RAF gegeben habe, beantwortet er mit einem klaren »Nein«. Etwas anderes sei damals entstanden, dass sich bis heute als filmischer Leitungsfaden bei der Darstellung der politischen Lage der 70er Jahre durchziehe: Die Authentifizierungsstrategie.