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»Nicht weghauen, sondern umbauen« (29.09.2004)





Reinhard Bütikofer: Den sozial Schwachen wird es mit Hartz IV besser gehen



Der Wahlkampf zu den Kommunalwahlen führte zahlreiche Bundespolitiker nach Bielefeld. Den Schlusspunkt setzten die Grünen mit ihrem Vorsitzenden Reinhard Bütikofer. Vor etwa fünfzig Zuhörern machte er seinen Parteifreunden noch einmal Mut für die letzten Wahlkampftage und verteidigte Hartz IV.



Von Mario A. Sarcletti

Bei der Podiumsdiskussion am vergangenen Mittwoch mit Reinhard Bütikofer blieben die Bielefelder Grünen großteils unter sich. Etwa fünfzig Menschen kamen ins Triebwerk um zu hören, was der Parteivorsitzende zum Thema »Hartze Zeiten« zu sagen hatte. Ein Blick ins Publikum zeigt, dass die Partei und ihre Ideen für den »Mainstream« nicht mehr »abseitig« sind, wie Bütikofer im Webwecker-Interview die Grünen vergangener Zeiten charakterisiert.

Keine/r strickt, die Vollbärte vergangener Jahre sind ab, nur drei Männer tragen lange Haare. Bütikofer passt in das Bild, als er mit Anzug und dezenter grüner Krawatte die Bühne betritt. Die Veränderung von Bündnis 90/Grüne kommt auch zur Sprache, als der Parteivorsitzende die aktuellen Wahlerfolge der Partei zu erklären versucht. Man habe eine Balance gefunden zwischen ursprünglichen grünen Zielen und der politischen Realität, sagt Bütikofer. »Heute geht es nicht mehr um die Frage, sind wir für Strukturreformen oder dagegen«, erklärt er. Als Beispiele für diese grüne »Balance« nennt Bütikofer Außen- und Bildungspolitik. Hier sei die Integration der positiven Seiten beider Ansätze, also dessen, was früher Fundis oder Realos hieß, gelungen.

Als weitere Gründe für das aktuelle grüne Hoch nennt Bütikofer die beharrliche Bearbeitung von Themen, die in der aktuellen politischen Debatte nicht auftauchen, wie die Plutoniumfabrik in Hanau oder den Emissionshandel. Konjunkturunabhängig nennt Bütikofer diese Themen. Außerdem wüssten die Wähler zu würdigen, dass die Grünen moderne und progressive Politik machen würden, sagt er. Als Beleg zitiert der Parteivorsitzende eine Umfrage zur Europawahl, nach der ein Viertel der Befragten seiner Partei eine solche Politik zuschreibt. Andere Parteien schnitten in der Studie schlechter ab, sagt Bütikofer. Das Moderne zeige sich auch bei den Wählern der Partei. »Grünwähler setzen mehr als die Wählerinnen und Wähler anderer Parteien auf Veränderung«, sieht er seine Partei als die des Fortschritts.

Veränderung sei auch bei den Sozialsystemen nötig, so Bütikofer. »Wir kriegen eine Verbesserung nicht hin, wenn wir am Status Quo nichts ändern«, konstatiert er. Das bisherige System mit Sozial- und Arbeitslosenhilfe sei ungerecht, begründet Bütikofer die Notwendigkeit den Sozialstaat umzubauen, zu dem sich seine Partei aber nach wie vor bekenne. »Wir wollen den Sozialstaat nicht weghauen, sondern umbauen«, beschreibt er die Parteilinie.

Die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe entspräche der alten grünen Forderung nach sozialer Grundsicherung. »Das war damals schon der Abschied vom Sozialstaat, wie wir ihn geerbt haben«, beschreibt er das Konzept als zukunftsweisend. Die bisherige Zweiteilung der Unterstützung bedeute eine Besserstellung für die traditionelle Kernarbeiterschaft, habe Arbeitnehmer des »peripheren Arbeitsmarktes«, unter anderem Frauen, benachteiligt. Während das bisherige System ersteren den Lebensstandard sichere, bedeute Sozialhilfe nur die Sicherung des Lebensunterhalts.