Webwecker Bielefeld: Village

Ja im Wald, da sind die Geister



»The Village«

Von Harald Manninga

1897 in Amerika: In einem Dörfchen am Waldesrand geht die Angst um. Die »Unaussprechlichen« gehen nämlich auch um, geheimnisvolle Wesen aus dem Wald, die das Leben der Dörfler bedrohen und auch gerade erst ein siebenjähriges Kind getötet haben. Alles Rote ist aus dem ansonsten eher idyllischen Dorf verbannt, denn rot ist die »böse Farbe«, die die Wesen anlockt. Aber etwas anderes muss sie wohl doch aufgescheucht haben, allenthalben passieren merkwürdige Dinge, die die beschauliche Dörflichkeit stören. Lucius Hunt will sich in die große Stadt aufmachen, um dort Hilfsmittel zu besorgen, das will der Ältestenrat des Dorfs aber nicht zulassen, denn die große Stadt ist mindestens ebenso böse wie die »Unaussprechlichen«. Als Lucius nach einer Verletzung durch einen anderen Dorfbewohner im Sterben liegt, macht sich seine blinde Verlobte Ivy dann doch auf den Weg durch den bösen Wald, um Medikamente zu kaufen.


Das ist irgendwie ja das Tolle an Regisseur M. Night Shyamalan: er kommt ohne dicke Knalleffekte aus, um einen gewissen Schauer beim Zuschauer auszulösen, er macht nicht nur Kino auf der Leinwand, sondern schafft nebenher auch noch etwas »Kino im Kopf« und führt damit die Leute immer wieder an der Nase herum (und wieso muss man denn immer Zuschauerwartungen erfüllen?!), lässt alles irgendwie in der Schwebe, so dass man sich am Ende über eine Lösung echt freut und leichte Schwächen, die sie haben mag, gerne verzeiht, denn die Lösung ist eben doch immer eine, auf die man selber nicht gekommen wäre, die aber trotzdem völlig organisch in die erzählten Dinge passt.


Ja, doch, es ist schon wahr: Dafür dass sie »unaussprechlich« sind, wird ausgesprochen viel von den Geisterwesen geredet (dabei ist die deutsche Bezeichnung noch harmlos: auf Englisch heißen die »Those-we-don't-speak-of«!). Dafür dass Protagonist Lucius Hunt (gespielt von Joaquin Phoenix) im Dorf als soo überaus mutig gilt, steht er mit seinem Konzeptzettel in den verkrampften Händen ganz schön bedröpst und gedeckelt vor dem Ältestenrat der Gemeinde, wenn er gerade wieder mal die Ausreise beantragen will, um in der Stadt Medizin zu kaufen. Dafür dass sie blind ist, läuft, ja rennt Co-Protagonistin Ivy Walker (großartig gespielt von Bryce Howard) erstaunlich unfallfrei durchs Gelände. Und warum das Zimmerchen, in das der Dorfirre Noah Percy (gespielt von Oscar-Preisträger Adrien Brody) ab und zu eingesperrt wird, um sich wieder zu »beruhigen«, ausgerechnet »Kammer der Stille« heißt, mögen die Götter wissen, er brüllt darin nämlich herum wie nix Gutes.


Wahr ist aber auch, dass Shyamalan hier wieder ein Fest für die Augen veranstaltet. Tatsächlich sind es vor allem die Augen, die in diesem Film beansprucht werden, denn das meiste wird in und von den Bildern erzählt, in Farben, Formen, Arrangements und Kamerafahrten und –einstellungen. Die zuweilen zwar etwas gekünstelt (oder vielleicht eben doch: kunstvoll?) wirken, gerade damit aber wieder aufs schönste klarmachen, warum Kinofilme auf Englisch »pictures« oder »movies« heißen: Kino ist vor allem eine Sache der bewegten Bilder, sonst könnte man ja auch ein Hörspiel machen. Und dass solche Bilder ruhig auch mal ganz unaufdringlich und ohne Computertechnik entstehen dürfen, ist eine fast wunderbare Erfahrung.


Dies umso mehr, wenn sie eine Geschichte erzählen, die bei allen märchenhaften Abstrusitäten, die sie beinhaltet, über so gut wie jede große Menschheitsfrage philosophiert: Wie ist das denn nun eigentlich mit Gut und Böse? Ist es wirklich nur die Angst selbst, vor der man Angst haben muss? In welchen Grenzen muss man sich bewegen, welche darf man überschreiten, welche sollte man sogar überschreiten? Ist das Leben immer so logisch und widerspruchsfrei, wie wirs gern hätten? Und: Wer genau sind hier eigentlich die Unaussprechlichen?


Das wird jetzt natürlich nicht verraten. Selber kucken macht klug.