Duftende Rosen sind Heidi Thielkes Leidenschaft. In ihrem bundesweit einzigen privaten Blindengarten hat die 55-jährige Bielefelderin, die seit sieben Jahren blind ist, eine Vielzahl von historischen und englischen Rosen angepflanzt. Foto: Susanne Freitag»Hier vorne links die Gartennelken duften in der Pfingstzeit besonders betörend. Und dort hinten in der Ecke blüht gerade meine Lieblingsrose mit dem Namen Herzog von Windsor«, sagt Heidi Thielke. Die Bielefelderin kennt jeden Winkel ihres rund 1.000 Quadratmeter großen Gartens. Das ist keine Selbstverständlichkeit, denn die temperamentvolle Frau mit den blonden Locken ist seit sieben Jahren blind. Und ihr Garten, der vom Frühjahr bis zum Herbst in voller Blütenpracht steht, ist kein gewöhnlicher Garten, sondern der bundesweit einzige Blindengarten in Privatbesitz.
Blumen mehr als sehen20 Jahre jung war Heidi Thielke, als die Ärzte bei ihr die unheilbare Augenerkrankung Retinitis pigmentosa diagnostizierten. Die Krankheit verlief zunächst sehr langsam. »Vor zehn Jahren war jedoch klar, dass ich innerhalb kurzer Zeit vollends erblinden würde«, erinnert sich die heute 55-Jährige. Heidi Thielke hatte immer Blumen geliebt, und der Gedanke, dass sie sich künftig nicht mehr an ihnen erfreuen könnte, machte sie sehr traurig. »Doch dann dachte ich mir: Auch einem Blinden kann ein Garten gut tun, denn schließlich kann man Blumen ja nicht nur sehen, sondern auch fühlen und riechen«, sagt sie.
Vielfalt im grünen ReichMit der ihr eigenen Beharrlichkeit ging sie an die Anlage ihres Blinden-, Duft- und Tastgartens, ließ die großen Schwarzkiefern entfernen und sammelte in der Bekanntschaft einen Pflanzenableger nach dem anderen. Kontinuierlich wuchs die Vielfalt in Heidi Thielkes grünem Reich. Heute zieren den Blindengarten mehr als 300 Blumenarten, historische und englische Rosen sowie viele Stauden, vor allem Phlox, Sonnenblumen und Rittersporn.
Düfte, Formen und Blattbeschaffenheiten»Ich habe besonders auf die verschiedenen Düfte, Formen und Blattbeschaffenheiten der Pflanzen geachtet, die sich einem Menschen ohne Augenlicht beim Schnuppern und Betasten erschließen«, erläutert die passionierte Gartenfreundin. Eigenhändig hat sie die Beete so angelegt, dass alles auf kleinen Pfaden begehbar ist. Die Blumen hat Heidi Thielke mit Schildern in Blindenschrift ausgezeichnet. Für blinde und sehende Menschen ist ihr Garten ganzjährig geöffnet, und im Sommer bietet sie einmal in der Woche Gruppenführungen an. »Wenn jemand aus Versehen auf ein Beet tritt, ist das auch nicht schlimm. Ich habe an den Beeträndern eine Unterbepflanzung angelegt, die sich sofort wieder aufrichtet«, verrät die 55-Jährige lächelnd ihre kleinen Tricks.
Symbol einer positiven EinstellungHeidi Thielke verbringt ihre gesamte Freizeit in ihrem Gartenreich, jätet selbst Unkraut, entfernt regelmäßig verblühte Blumen: »Da verlasse ich mich ganz auf meine Fingernägel, denn ein Messer oder eine Schere sind mir zu gefährlich.« Der Blindengarten der Bielefelderin ist nicht zuletzt ein Symbol ihrer positiven Einstellung, die sie anderen Betroffenen mit auf den Weg geben will. »Auch wenn man nicht mehr sehen kann, gibt es viele Dinge, an denen man sich erfreuen kann. Man darf sich nur nicht aufgeben«, betont sie. Welchen Gartentraum sie sich noch erfüllen möchte? Heidi Thielke braucht nicht lange zu überlegen. »Eine Othello-Rose wollte ich immer schon haben. Ein Taxus kommt mir dagegen nicht in den Garten. Der fühlt sich ja immer gleich an, für Blinde ist das ein ausgesprochen langweiliger Baum«, sagt sie.
Kontakt: Heidi Thielke, Stadtblick 12, 33739 Bielefeld, Telefon.: 05 21-88 82 12zurück zum Menü