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Hartz mit Bugwelle (11.08.2004)





Beratungsplätze und Sachbearbeiter wären ja da –
nur die Kunden mögen nicht so recht kommen: »Hartzamt« in der Agentur für Arbeit


Hartz IV ist im Moment das Thema in der Republik. In der Bielefelder Agentur für Arbeit ist davon kaum etwas zu bemerken.

Von Mario A. Sarcletti

Montagsdemonstrationen, Rücktrittsforderungen aus der SPD an Gerhard Schröder, täglich neue Hartz-Horrorvisionen in den Medien: Angesichts der heftigen Diskussionen um Hartz IV ist es schon erstaunlich, wie leer die Räumlichkeiten in der Bielefelder Agentur für Arbeit sind, in denen die Anträge für das Arbeitslosengeld II entgegengenommen werden. Die Bezieher von Arbeitslosenhilfe, die Mitte Juli die Formulare von der Bundesagentur für Arbeit zugesandt bekamen, scheinen erst einmal abzuwarten. 3750 der fast 11.000 Bezieher von Arbeitslosenhilfe in Bielefeld wurden bisher angeschrieben, bis zum vergangenen Montag haben sich erst knapp zehn Prozent von ihnen bei der Agentur für Arbeit gemeldet, 87 um sich abzumelden. »Das sind vor allem Kunden, bei denen der Partner zu viel verdient oder selbst Antragsteller ist«, erklärt Joachim Schwarz, in Bielefeld für das Arbeitslosengeld II zuständig.

»Wir haben große Sorge eine Bugwelle vor uns herzuschieben«, beschreibt Schwarz die Befürchtungen seiner Dienststelle ob der geringen Resonanz auf die Anträge. »Die Kunden sollten im eigenen Interesse jetzt kommen«, appelliert er an die Betroffenen. Denn ab September kommt die nächste Welle auf die Agentur für Arbeit zu, nach den Beziehern von Arbeitslosenhilfe werden dann die Sozialhilfeempfänger angeschrieben. »Wenn alle erst im Dezember kommen, wird unsere Kapazität möglicherweise nicht für alle reichen«, warnt Joachim Schwarz.

Zur Zeit hat die Agentur für die Bearbeitung noch personelle Überkapazitäten. Die eigenen Sachbearbeiter werden bei der Antragsannahme von Mitarbeitern der Telekom-Leiharbeitsfirma Vivento und der Stadt unterstützt. Die Zusammenarbeit mit denen klappt nach Angaben von Joachim Schwarz ganz hervorragend. »Wenn sie in die Gruppe reingehen, merken sie gar nicht, wo einer herkommt, das ist einfach toll«, freut er sich über den reibungslosen Ablauf. »Ich merke jeden Morgen beim Briefing, dass alle ein Team sind.«

Dass so weinige Kunden zu den Teams kommen, liegt seiner Meinung nach weniger an der Urlaubszeit. »Nur rund fünf Prozent der Bezieher von Arbeitslosenhilfe haben sich abgemeldet«, sagt Joachim Schwarz. Er macht vielmehr die Ratschläge von Medien und Betroffeneninitiativen für die geringe Resonanz verantwortlich: »Die empfehlen den Leuten erstmal abzuwarten, weil sich da noch einiges ändern könne.« Schwarz versichert, dass etwaige Gesetzesänderungen von der Agentur automatisch berücksichtigt würden. Zur Zeit würden die Anträge zudem erst entgegen genommen, über sie entschieden werden soll erst, wenn die Eingabe in eine neue Software erfolgt. Die soll am 4. Oktober kommen. Dass sie von der Telekom-Tochter T-Systems programmiert wird, die auch für die Datenerfassung bei der LKW-Maut zuständig ist, macht der Bielefelder Agentur für Arbeit keine Sorgen. Man geht davon aus, dass der Termin eingehalten wird.

Keinen Grund zur Panik sieht Joachim Schwarz auch, was die Kunden betrifft. Die befürchteten Aggressionen sind bisher ausgeblieben, auch der durch die Medien geisternde Polizeischutz ist kein Thema. »Das wurde ja vor allem in den neuen Bundesländern propagiert«, erinnert Schwarz. Auch das Horrorszenario von stundenlangen Beratungsgesprächen sieht er nicht. »Ein einfacher Fall, etwa ein Alleinstehender mit Mietwohnung, ist nach zwanzig Minuten wieder raus«, berichtet er von den bisherigen Erfahrungen. »Das waren ja auch schon vorher unsere Kunden«, verweist Schwarz darauf, dass die Anträge für Bezieher von Arbeitslosenhilfe inhaltlich nichts Neues seien.