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»Heile Welt, ... « (Teil 2)





Zwischen Strategien und diplomatischem Geschick

Das Selbstverständnis des Architektenberufes hat sich geändert. Der Architekt muss heute mit vielen verschiedenen Parteien verhandeln und zusammenarbeiten. Seine Aufgabe besteht zum überwiegenden Teil darin, widersprüchliche Interessen zu vereinen und den gegebenen Machtverhältnissen der jeweiligen Bauprojekte standzuhalten. Um sich durchsetzen zu können, reicht es nicht, gute Koordinations- und Führungsqualitäten zu besitzen. Man muss nachdrücklich in der Lage sein, entsprechend überzeugende Argumente und Strategien, auch wirtschaftlicher Art, für seine Projekte und Ideen zu entwickeln. Nur so kann ein Architekt heute eine gewisse Kontrolle über seine Bauprojekte behalten. Er muss Team-Fähigkeit beweisen und über ein breites interdisziplinäres technisches Wissen verfügen, um einen Konsens mit den am Bau Beteiligten zu finden. Von der Autonomie des Architekten von einst ist heute nicht mehr die Rede.






Radikal kommerziell

Diese Umbruchphase könnte eine äußerst kreative aber ebenso schlechte Zeit für die »Baukultur« bedeuten. Denn gerade hierzulande wird unter dem allgemeinen wirtschaftlichen Druck und der zur Zeit schlechten bauwirtschaftlichen Situation, das Bauen radikal standardisiert und kommerzialisiert. Die Kluft zwischen dem Bauen und der Architektur droht größer zu werden. Die künftige Architektengeneration hat zweifellos zur Aufgabe die Suche nach neuen Typologien für eine differenzierte Gesellschaftsstruktur. Die Frage bleibt offen ob diese Generation so herangebildet wird, um dieser sozialen Verantwortung auf einer breiten Basis standhalten zu können. In dieser Situation kann man nicht differenziert genug in der Lehre arbeiten. In der Ausstellung werden auf Druckfahnen Projekte und Entwürfe aus verschiedenen Semestern präsentiert. Weiterhin wird über eine Bilderkollage ein Einblick in Details, Objekte, Momente aus dem Alltag des Unterrichts in meinen Seminaren gewährt.






Ganzheitliche Architektur

Meine Lehre thematisiert das Ganzheitliche in der Architektur, die Notwendigkeit des Experiments, des Konzeptionellen in Kombination mit dem Funktional–Konstruktiven, vom Objekt bis hin zu baufähigen Projekten. Einerseits ist mein Anliegen bei den Studenten »räumliches Denken« anzuregen und einen Zugang zum Begriff der Materialität und ihrer Bedeutung für die Gestaltungsaussage und konstruktive Ausführung zu ermöglichen. Man sollte es nicht bei den bequemen Möglichkeiten der 3D-Animationen belassen, die Architekten in dieser wichtigen Fähigkeit in keiner Weise fördern. Andererseits soll man »Fragen« formulieren lernen, um diese dann entsprechend durch eigene, innovative Lösungen zu beantworten.






Abseits üblicher Klischees

Besonders geeignet sind Aufgaben, die eine sehr enge Fragestellung haben und eine neue Sichtweise des Gewohnten erfordern. Dies ermöglicht, Eigenes außerhalb von Vorbildern und üblichen Klischees zu entwickeln. Solche Themen sind zum Beispiel die vorgestellten vierzehntägigen Entwurfsaufgaben: Wie »Mut zur Lücke«. Hier sollte beispielsweise ein extrem schmales und tiefes Baugrundstück als dreigeschossiges Wohnhaus entwickelt werden. Eine schwierige Bauaufgabe, was die Belichtung und Belüftung, aber auch die Verteilung räumlicher Funktionen betrifft. »Restflächen« von noch bebaubaren Stadtgrundstücken oder Gassen, die mit der Zeit unbrauchbar wurden, stellen ähnliche Problemstellungen in der Praxis.