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/plädoyer für einen bevölkerungstausch. heute: bielefeld und barcelona/ (Teil 2)



Wenn man dennoch in dem Buch ein wenig stöbert, findet man durchaus Parallelen zur Geschichte Barcelonas. Im Jahre 1992 fanden in Barcelona die Olympischen Spiele statt. Dafür wurde nicht nur die poröse Innenstadt saniert, sondern auch ein Strand angelegt sowie seltsame überdimensionale Fisch-Plastiken, die natürlich künstlerisch wertvoll sind. In Bielefeld wurde mehrere Jahre hintereinander die Deutschen Badmintonmeisterschaften ausgetragen. Dafür hat man gegenüber vom PC 69 eine eigene Sporthalle erreichten lassen, außerdem sollte wegen der Badmintonmeisterschaften auch der Obersee vergrößert werden und einen eigenen Strand erhalten. Auch die mysteriöse Stahlkonstruktion vor der Stadthalle soll aus Schwarzen Kassen des Deutschen Badminton Verbandes finanziert worden sein. Zum Pflichtprogramm ausländischer Touristen zählt in Barcelona die Besichtigung einer ziemlich kaputten Kirche, an der seit Jahrzehnten Architekten und Kirchenfürsten herumdoktern. In Bielefeld führen Stadtrundfahrten zum Sieker Loch und zur MVA Heepen.

Um den elementarsten Unterschied zu erkennen, genügt ein Blick aus dem Fenster. In Ostwestfalen schneit es bekanntlich auch im Sommer, was die katalanischen Austauschstudierenden an der Bielefelder Universität erfreut zur Kenntnis nehmen, können sie doch endlich einmal funktionierende motorisierte Schneepflugmaschinen in Augenschein nehmen. In Barcelona hingegen frieren die Einheimischen zu Weihnachten bei 18 Grad im Schatten. Da Mentalitäten in erster Linie vom Klima abhängen, wäre es ein spannendes Experiment, wenn die Bewohner Bielefelds für ein Jahr nach Barcelona ziehen würden und die Barcelonesen nach Bielefeld.

Reizvoll, sich vorzustellen, wenn gestählte westfälische Wurstfachkräfte eine schmackhafte Sardellenbratwurst zubereiten oder der katalanische Fremdenverkehr in kürzester Zeit zusammenbricht, weil die Touristen an der sprichwörtlichen Freundlichkeit, Offenheit und Lebensfreude der Bielefelder verzweifeln. Zudem werden die Neu-Barcelonesen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Klimaschock nicht verkraften und alsbald über die „viele Sonne“ und die zu geringe Zahl an professionellen Kneipenbesitzern schimpfen, denn 97 Prozent aller Bars, Kneipen und Restaurants müssen aus akutem Arbeitskraftmangel von Leinewebern, Versuchsküchenmitarbeitern und Hobbyliteraten geführt werden, für die es in Barcelona keine Verwendung gibt. Und die 1 Million Barcelonesen in Bielefeld? Sind nach einer Woche nach Freiburg umgezogen.

Der frühere StadtBlatt Redakteur Andreas Beune ist als freier Journalist und Autor unter anderem für die Fußballzeitschriften »footb.OWL« und »11 Freunde« tätig. Mehr von ihm zu lesen gibt es auf www.zirkeltraining-lesung.de, mehr zu hören beim Zirkeltraining Summertime-Openair am 17. August auf dem Jodokus-Kirchplatz in der Bielefelder Altstadt, Beginn 21 Uhr.

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