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»Was die da veranstalten, ist eine Riesensauerei« (Teil 2)





»Brutal reingehen«. Rainer Wend (rechts) will unbedingt genügend Ausbildungsplätze in 2004


Der Arbeitslose kenne sowieso nur ein Ziel: Ein Arbeitsplatz. Wie viel Geld Bund, Land und Kommunen durch die Reformen sparen oder draufzahlen müssen, sei dem Beschäftigungslosen egal, meint Müntefering. Und um mehr Arbeitslose in einen Job zu kriegen, müsse die Arbeitsvermittlung effizienter organisiert werden. »Wir haben bisher im Grunde genommen zwei Arbeitsämter: Das Sozialamt und die Bundesagentur für Arbeit«, erklärt der Generalsekretär. Er empfiehlt den Städten dringend, sich bald zu entscheiden, ob sie die Arbeitslosenbetreuung kommunalisieren wollen. Denn nach dem Optionsmodell haben die Kommunen die Möglichkeit, selbst alle Arbeitslosengeld-II-Empfänger zu verwalten und dafür Geld vom Staat zu bekommen oder die Betreuung der Arbeitslosen der Bundesagentur zu überlassen. In Bielefeld zeichnet sich letzteres Modell einer Kooperation mit der Bundesagentur ab. Indes hängt das entsprechende Gesetz noch im Bundestag. Müntefering formuliert es auf seine Weise deutlich: »Der hessische Ministerpräsident Koch schmeißt sich dazwischen«.

Kein Gespräch über den Arbeitsmarkt ohne die Ausbildungssituation. Da knabbert die SPD immer noch an der Ausbildungsplatzabgabe und versucht, ohne dieses Instrument über das Jahr zu kommen. »In Bielefeld fehlen zur Zeit 700 Ausbildungsplätze«, sagt Wend und ist zugleich verhalten optimistisch: »Bei vergleichbaren Anstrengungen wie im vergangenen Jahr ist das zu schaffen«. Will heißen, die Ausbildungslücke bis zum Herbst zu schließen. Münteferings Formel: »Alle müssen fünf Prozent mehr tun als im vergangenen Jahr«, dann sei das Problem zumindest für 2004 gelöst.

Wend bringt zugleich eine neue Variante ins Spiel: Auf die Ausbildung angerechnete Praktika. Solche Halbjahres oder Jahrespraktika mit begleitenden Hilfen könnten nach dem zukünftigen Berufsbildungsgesetz angerechnet werden, die Bundesregierung überarbeitet das Gesetz zur Zeit. »Wir müssen da brutal reingehen«, steigert Wend sein Vorschlag. Viel zu lange sei der Ausbildungsmarkt laufen gelassen worden. Würden schwächere Schüler keinen Ausbildungsplatz bekommen, würde die Bombe irgendwann explodieren. Das »Drehen einer weiteren Schulrunde« ist für Wend keine zwingende Alternative. Die Betriebe müssten die Praktika anbieten. Gespräche mit den Kammern gibt es bereits: »Ich sehe da eine große Motivation«. Müntefering schließlich überlegt laut, ob die letzen zwei Schuljahre in der Haupt- oder Realschule nicht »polytechnischer« zu organisieren seien: »Beim Malen wissen die Schüler sehr schnellt, was ein Quadratmeter ist«, sprach Malermeister Müntefering und entschwand in die Bielefelder Laborschule zu einem Besuch.







Von Lienen lernen



Ein Kommentar von Manfred Horn

Müntefering bemühte im Gespräch den Vergleich mit dem Fußball: Nach vorne spielen ist besser, so seine Devise. Manchmal aber ist es auch gut, die Verteidigung zu stärken: Hannover 96 stieg in dieser Saison nicht ab, weil Ewald Lienen kam und in der Schießbude der Liga eine Betonwand anmischte. So muss sich Offensivspieler Müntefering, dem ein gewisses Talent zweifelsohne nachgesagt werden muss, fragen lassen, warum nicht einige Dinge geklärt wurden, bevor sein Team auf Angriff setzte. Warum ein tausendköpfiger Apparat im Dezember 2003 zum Beispiel nicht in der Lage war, die kommunalen Belastungen durch die Unterbringungskosten im Rahmen von Hartz IV zu erkennen.