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Wolfram Wette (Hg.), „Zivilcourage. Empörte, Helfer und Retter aus Wehrmacht, Polizei und SS (Teil 2)



Der Hauptmann Gerhard Wander überlebte den Krieg nicht: am 22.1. 1945 wurde er beim Verlassen eines Hauses in Amsterdam vom deutschen SD gestellt und erschossen. Wander arbeitete unter seinem Chef, dem „Rassereferenten“ Calmeyer in Amsterdam. Er nutzte allerlei juristische Tricks, um Juden und Jüdinnen zu arisieren und somit vor der Deportation zu retten, aufwendige Stammbäume wurden konstruiert, um eine sichere Identität zu schaffen. Leider wurde Wander schon im April 1943 an die Ostfront abkommandiert, Anfang 1944 kehrte er im Urlaub in die Niederlande zurück, desertierte und schloss sich dem Widerstand an. Wander zählte zu den politisch bewussten Gegnern des Nationalsozialismus, in Yad Vashem wurde er aufgrund der Aussagen mehrerer Überlebender als „Gerechter der Völker“ geehrt.

Interessant, einem anderen Retter, Adold Zündler bewahrte nachweislich zweiundzwanzig jüdische Menschen vor dem Tode, verweigerte Yad Vashem diese Auszeichnung. Der Grund: Adolf Zündler war Mitglied der SS. AuszeichnungsgegegnerInnen, die seine Taten nicht infrage stellten, argumentierten, dass Zündler als SSler durch seinen Dienst dazu beigetragen hatte, das Tausende anderer Menschen in die Vernichtungslager deportiert werden konnten.

Rau fordert gutgemeint in seinem Geleitwort, das diesen „stillen Helden“ Anerkennung zukommen solle, z.B. durch öffentliche Aufmerksamkeit, vielleicht eine Schulumbenennung, eine kleines Hinweisschild an der Wand. Pax Christi forderte 1988 die Umbenennung der „Generaloberst–Dietl–Kaserne“ in „Leutnant-Kitzelmann-Kaserne“. Dietl war Nazi und Anhänger Hitlers, Kitzelmann empörte sich über den Vernichtungskrieg im Osten, er machte aus seiner Meinung kein Geheimnis. Im April 1942 wurde aufgrund von Denunziation inhaftiert, im Juni wurde er wegen Zersetzung der Wehrkraft zum Tode verurteilt, das Urteil wurde sofort vollstreckt. Mit der Demokratie innerhalb der Bundeswehr ist es zumindest 1988 noch nicht so weit gewesen, der alte Name blieb. 1995 fand dann doch eine Namensänderung statt: seitdem heißt diese Kaserne aussagekräftig „Allgäu-Kaserne“, soviel zum realen Umgang mit den „stillen Helden“ und dem Bewußtsein.(rk)

Wolfram Wette (Hg.), „Zivilcourage. Empörte, Helfer und Retter aus Wehrmacht, Polizei und SS, Fischer Taschenbuch, 2003, 14,90 Euro

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