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Die Abwärtsspirale (Kommentar Teil 2)



Man musste bereits damals kein Prophet sein, dass damit nicht das Ende, sondern erst der Anfang der Fahnenstange erreicht ist: Was für die Geringqualifizierten an neuen Bedingungen geschaffen wurde, würde sich schnell auch auf alle Beschäftigten in Sozialeinrichtungen übertragen.

Dabei hat der Arbeitgeber AWO Rückenwind von höchster politischer Ebene: Bundes- und Landesregierungen sehen zumindest in der Ausweitung der Wochenarbeitszeit, bei der Kürzung beziehungsweise Streichung von Weihnachts- und Urlaubsgeld ebenfalls Handlungsbedarf. Da singen die PolitikerInnen eine gemeinsame Messe mit dem Arbeitgeberverband.

Fraglich ist jedoch, ob der von den Arbeitgebern gewünschten Effekt überhaupt eintritt: Die behauptete Kostenreduzierung könnte schnell durch unmotivierteres, ausgebrannteres und noch häufiger wechselndes Personal aufgefressen werden. Dies würden auch diejenigen merken, die die Angebote der AWO in Anspruch nehmen. Ganz zu schweigen davon, dass gesamtökonomisch die Ausweitung der Arbeitszeit und Lohnkürzung vollkommen kontraproduktiv sind.

Die AWO stellte sich im vergangenen Jahr zusammen mit den anderen großen Wohlfahrtsverbänden quer: NRW bleibt sozial! Eine richtige und wichtige Kampagne, die deutlich machte: Ohne die vielfältigen sozialen Dienstleistungen kommt die Gesellschaft nicht aus. Immerhin konnte auch ein Teilerfolg verbucht werden: Ein Teil der massiven angekündigten Landeskürzungen nahm die Landesregierung von den Doppelhaushalt 2004/2005 wieder zurück. Dies täuscht aber nicht darüber hinweg, dass die Gelder für den sozialen Sektor seit Jahren deutlich abnehmen.

Die Lösung der AWO allerdings ist zweigleisig: Zum einen fordert sie politisch ein Ende der Mittel-Kürzungen, zum anderen zeigt sie nach innen ihr unsoziales Gesicht. Keine Lösung auch, ständig neue GmbHs zu gründen, um dort noch schlechtere Bedinungen für die Beschäftigten durchzusetzen. Denn das ganze ist doch längst auf ein Paradox hinausgelaufen: Diejenigen, die wichtige, eigentlich »unbezahlbare« soziale Arbeit machen – im Krankenhaus, in der Pflege, in der Familienberatung oder Kinderbetreuung arbeiten, um nur ein paar Beispiele zu nennen – werden immer billiger abgespeist. Sie sins sozial am Kunden oder an der Klientin, gedankt wird ihnen im Unternehmen mit zunehmender sozialer Kälte.

Der Arbeitgeber AWO wäre gut beraten, den Druck nach oben weiter zu erhöhen. Dafür könnte er sich der Solidarität der MitarbeiterInnen sicher sein. Ein soziales System braucht auch eine vernünftige finanzielle Ausstattung. Wundern muss sich die AWO allerdings nicht, dass die MitarbeiterInnen keine Begeisterung für Lohnkürzungen und Arbeitszeitverlängerung zeigen. Denn der Sozialbereich ist bereits heute vergleichsweise schlecht entlohnt.

Während der ehemalige und dort nur wenige Jahre beschäftigte Mannesmann-Chef Esser selbstgerecht davon spricht, dass ihm für die Abwicklung des Unternehmens eine Abfindung von 65 Millionen Euro zustehe, verdient die Sozialarbeiterin diese Summe auch dann nicht, wenn die Gentechnologie ihre Lebens- und Arbeitszeit auf 500 Jahre verlängern würde. Und dies vor dem Hintergrund, dass die Arbeit der Sozialarbeiterin zwar anders, aber – vorsichtig ausgedrückt – nicht minder wertvoll ist als die eines Konzernmanagers.

Manteltarifverträge sind ein deutlicher Schutz der ArbeitnehmerInnen. Kommt es zu Einzelverträgen oder kleinen Lösungen für Betriebe oder
Bezirke, so sitzen die ArbeitnehmerInnen sicherlich am kürzeren Hebel. Deswegen ist die Forderung von ver.di, zumindest einen NRW-Manteltarifvertrag bei Rücknahme der zum 1. April gültigen Dumping-Liste einzufordern, richtig.