Alleine der Leverkusener Bayer-Konzern bekam 2001 250 Millionen Euro Körperschaftssteuer vom Bund zurück. Das bekam damals auch sofort die Kommune Leverkusen zu spüren: Dort sanken die Gewerbesteuer-Einnahmen von 89,9 Millionen Euro auf 36,4 Millionen. »So viele Schwimmbäder können wir gar nicht schließen, um die Steuer-Ausfälle aufzufangen«, klagte damals der Leverkusener Oberbürgermeister Paul Hebbel.
Zitzelsberger war vorher bei der Bayer-AGDer Vater dieser Steuerreform ist allerdings nicht Hans Eichel. Er holte sich den inzwischen verstorbenen Heribert Zitzelsberger als Staatssekretär ins Haus. Die Anweisung an Zitzelsberger: Reformiere die Unternehmensbesteuerung. Zitzelsberger freute sich, wußte er doch bestens Bescheid: Zuvor war er Finanz-Manager der Bayer-AG. Zitzelsberger senkte nicht nur die Körperschaftssteuer für eingehaltene Gewinne auf 25 Prozent, sondern stellte auch die Erlöse aus dem Verkauf von Unternehmensteilen steuerfrei. Ein besonderes Übel ist für Echterhoff die durch die Steuerreform geschaffene Möglichkeit der Organschaft. Gewinne und Verluste konnten auf diese Weise solange zwischen Mutter- und Tochter-Gesellschaften miteinander verrechnet werden, bis dabei für die Finanzämter gar nichts mehr rauskommt.
Seitdem weisen die großen Unternehmen erstaunlich geringe Gewinne auf. Nicht ein Produkt der Wirtschaftskrise, sondern Ergebnis von konzerninterner Finanzpolitik. Die Steuern von Bayer beispielsweise reduzierten sich binnen einen Jahres um 88 Prozent, von 1,15 Milliarden Euro in 2000 auf 150 Millionen Euro in 2001.
Eine gern erzählter Mythos auch, Deutschland sei ein Hochsteuerland: Nach einer vergleichenden Untersuchung der OECD (Organization for Economic Cooperation and Development) liegt unter den Industrie- Staaten der Anteil von Unternehmenssteuern am Bruttosozialprodukt nur noch in Island niedriger als in der Bundesrepublik. »Das erscheint wie ein abgesprochenes Spiel: Jedes Jahr droht eine große Firma, ins Ausland zu gehen«, meint Echterhoff. Tatsächlich aber sei die Abwanderung gering, etliche Firmen würden auch still und leise wieder nach Deutschland zurückkehren.
Hauptleidtragende der unternehmergesinnten Steuerpolitik sind die Kommunen. Sie sind anteilig an Gemeinschaftssteuern beteiligt, so an der Umsatzsteuer, der Einkommenssteuer und Körperschaftssteuer. Und da fließt immer weniger Geld. Hinzu kommt, dass die originären Kommunalsteuern Grundsteuer und Gewerbesteuer ebenfalls immer geringer werden. Besonders die Gewerbesteuer ist in den vergangen drei Jahren komplett eingebrochen. Nun hatten zahlreiche Kommunen, unter anderen Bielefeld, im vergangenen Jahr SOS gefunkt, »Städte in Not« hieß die Kampagne. Doch die Lobby der Kommunen ist offenbar zu schwach, sie stehen ganz unten in der Geldverteilungshierarchie: Darüber das Land und zuvorderst der Bund.
Kompromiss zwischen Regierung und Opposition kostetDeutlich wurde das auch an dem Agenda 2010-Kompromiss kurz vor Weihnachten: Erst hieß es, daduch würden die Kommunen um zehn Milliarden Euro entlastet, dann lautete die Zahl fünf Milliarden. Echterhoff sagt nun im Gegenteil für 2004 ein Minus durch die im Rahmen der Agenda 2010 beschlossenen Steuerreform für die Kommunen voraus. Ein Defizit, das anhalten und sogar weiter wachsen könnte, wenn zum Beispiel das neue Arbeitslosengeld II ab 1. Januar 2005 in der momentan beschlossenen Form kommt: Die Kommunen würden auf enormen Unterbringungskosten für die Hilfeempfänger sitzen bleiben, die Stadt Bielefeld geht hier von einer Mehrbelastung von 36 Millionen Euro jährlich aus (der WebWecker berichtete).