Webwecker Bielefeld: Erbsen02

Erbsen auf halb sechs (2. Teil)



Da ist nämlich zunächst das Spiel von Fritzi Haberlandt (Lilly) und Hilmir Snaer Gudnason (Jakob). Die geben die Blinden sowas von gekonnt und diszipliniert, insbesondere Haberlandt, dass man glauben könnte, sie wären wirklich blind. Jenny Gröllman (vor allem als TV-Schauspielerin bekannt, aus so Sachen wie »Polizeiruf 110« oder »Liebling Kreuzberg«) als todkranke Mutter nimmt man mit ihrem ergebenen Bambiblick das nahende Ende mühelos ab. Und die knapp 16jährige Alice Dwyer (in ihrer neunten Filmrolle) spielt die pubertierende kleine Schwester Alex derartig verschmitzt, vervampt und selbstironisch, ihr Partner Max Mauff den tappsigen und überforderten Jüngling Ben so stilecht und komisch, es ist eine wahre Freude.


Vor allem sind da aber die Regie von Lars Büchel, die Kamera von Judith Kaufmann und der Schnitt von Peter Adam. Die drei schaffen es quasi mühelos, auch den Zuschauer ständig in der Schwebe zwischen Sehen und Nichtsehen zu halten: »Worüber stolpert Jakob denn jetzt schon wieder? Und warum laufen die zwei im Rapsfeld immer wieder aneinander vorbei, sind die denn bli... – achso, ja.« Die verschiedenen Handlungen können sie sauber trennen und doch zu einer Einheit verweben, und das schon vom Anfang an, in dem sie etwa in geradezu schlafwandlerisch sicheren Gegenschnitten und in ausgesprochen beeindruckenden Bildern die persönlichen Vorgeschichten von Jakob und Lilly parallel erzählen.


Nicht zuletzt die Bilder sind es auch, zusammen mit dem oben schon erwähnten Ton, die die scheinbaren Unglaubwürdigkeiten der Handlung so überhöhen, dass dabei eine runde Sache herauskommt: Dieser Film erzählt nämlich keine »wahre Geschichte«, nicht einmal eine »realistische«, sondern ein Märchen. Er ist kein »Roadmovie«, und auch keine »Liebesgeschichte« (obwohl er beides natürlich auch ist), sondern die filmische Umsetzung von allerlei »Lebensweisheiten«, wie zum Beispiel der, dass man »nur mit dem Herzen richtig sieht«. Und dass man einen langen Weg gehen muss, um da anzukommen, wo man ist. Das ist aber so behutsam, sensibel und komisch, manchmal geradezu grotesk, gemacht, dass auch die Regentropfen, die immer wieder in Großaufnahme in eine Pfütze pladdern, zu echter Poesie geraten.