Culture Crash
Jeden Werktag, abends ab Acht - und am Wochenende schon ab 18 Uhr - kommt es auf den Frequenzen von Radio Bielefeld (98,3 und 97,6 MHz) regelmäßig zum großen Crash der Radiokulturen: im tagsüber massenkompatiblen Dudelfunk kommen nun zumeist spezielle Spartensendungen zur Ausstrahlung. Dann muss nämlich auch bei Bielefelds kommerziellem Lokalradio dem Landesmediengesetz genüge getan werden, und das sieht eben jeden Tag zwei Stunden Sendezeit vor, die den Bielefelder Bürgern zur freien Gestaltung zur Verfügung stehen. Deshalb heißt die Schiene ja auch "Bürgerfunk".
Und so verwundert es auch nicht, dass Radio Bielefeld-Chefredakteur Martin Knabenreich von "Verwerfungen im Programm" spricht. Es gebe halt einen Konflikt zwischen dem großen "Mithörradio" Radio Bielefeld dem "Einschaltradio" der ungeliebten Schwester Bürgerfunk. Während das Programm tagsüber bloß niemanden ärgern, geschweige denn zum Ausschalten bringen soll, wird am nicht-werbefinanzierten Abend naturgemäß nicht ganz so auf die Interesse der Werbekunden geachtet. Die Bürgerfunker müssen, ja wollen extra eingeschaltet werden - auch auf die Gefahr, dass jemand sie dann abschaltet.
Das aber ist der Super-Gau im Programm jedes privaten Radios: die "Durchhörbarkeit" ist ernsthaft gefährdet. Kein Wunder also, dass man als Verantwortlicher des Senders nicht gerade zum Fürsprecher des Bürgerfunks wird. Und so sind dann wohl auch die zahlreichen, teilweise sogar gerichtlichen, Auseinandersetzung der letzten Jahre zwischen Privat-Sender und Bürger-Funkern zu erklären.
Nach über zehn Jahren der knirschenden Koexistenz (und mehreren Wechseln in der Sende-Leitung) macht sich mittlerweile jedoch Gelassenheit beim Frequenz-Träger breit. Der jetzige Chef outet sich sogar als Fan einiger Sendungen, lobt das teilweise "hervorragende" Programm des Bürgerfunks und erklärt "Fördern statt Verhindern" zur neuen Maxime der Zusammenarbeit. Man trifft sich nach sechs Jahren wieder regelmäßig in der AG Bürgerfunk und interessierte Gruppen werden eingeladen, die Arbeitsweise in der professionellen Redaktion kennen zu lernen.
Trotzdem haben manche Produktionsgruppen noch immer mit Akzeptanzproblemen zu kämpfen. Die Rede ist von den reinen Musikmagazinen, und die Schwierigkeiten fangen teilweise schon in der eigenen "Radiowerkstatt" an. Denn obwohl die Musikmagazin-Macher über die "Minutenförderung" (aus Mitteln der Landesmedienanstalt) für den größten Teil der Refinanzierung von Technik und Betreuung verantwortlich sind, haben die "Musiker" bei den Bürgerfunkern der ersten Stunde oft ein echtes Imageproblem. Politische Inhalte, lange Moderationen oder wichtige Studiogespräche werden dann gerne mit "interessantem Radiomachen" gleichgesetzt - wohingegen die Musik-Moderatoren ja eh alle nur Funken, um ihre Musik und natürlich vor allem sich selbst im Radio zu hören.
Die sogenannten "DJ-Sendungen" werden selbst im Landesverband Bürgerfunk nur ungern gesehen und wahrscheinlich schon gar nicht gerne gehört.