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Parlament mit eingeschränkten Rechten (24.03.2004)



Baringdorf
Baringdorf: Die Laschen sind die Länder, nicht die EU


























Von Manfred Horn

»Der Rat ist in Wirklichkeit eine Legislative«. Moment, sollte dies nicht das Parlament sein? Doch bei der EU ist manches anders. Der Europäische Rat, in ihm sind im Wesentlichen die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten vertreten, entscheidet über vieles. »Die fliegen in Berlin als Exekutive ab, entscheiden in Brüssel als Exekutive und kommen in Berlin wieder als Exekutive an«, erzählt Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf. »Montesquieu würde sich im Grabe umdrehen, das ist die Aufhebung von Gewaltenteilung« Baringdorf sitzt für die Grünen im Europäischen Parlament und hat dort schon so manches mitgemacht.

Der Öko-Landwirt aus Spenge im Kreis Herford plädierte bei einer Veranstaltung des ›Evangelischen Kirchenkreises für Sozialfragen‹ am vergangenen Freitag im Haus der Kirche dennoch für das Europäische Parlament, auch wenn es an vielen wichtigen Punkten gar nichts zu entscheiden hat. Baringdorf setzt auf die neue europäische Verfassung. Deren Verabschiedung war im Januar gescheitert, nachdem die Regierungschefs aus Spanien und Polen ihr Veto eingelegt hatten. Sie wollten mehr Einfluss für ihre Länder.

In Spanien hat es bekanntlich einen Regierungswechsel gegeben, die Sozialisten schätzt Baringdorf als verhandlungsbereiter ein: »Noch in diesem Halbjahr wird die Verfassung verabschiedet«, ist sich Baringdorf sicher und fügt an: »Die Polen werden ihren Kurs nicht halten können«.

Baringdorf sieht Europa irgendwo auf der Mitte eines Weges. Einerseits gibt es mangelnde Demokratie, wenn das Eurpäische Parlament in wichtigen Fragen nicht gesetzgebend ist. Andererseits seien in Brüssel viele wichtige Entscheidungen im Umwelt-, Verbraucher- und Agarbereich getroffen worden. Und: Die neue europäische Verfassung verbessere die Position des Parlaments.

Baringdorf ist Fachmann für den Agrarsektor. Knapp die Hälfte der EU-Mittel, 50 Milliarden Euro, fließen europaweit jährlich in diesen Bereich. Doch bestimmen kann das Parlament wenig: Ein großer Teil des Geldes sind sogenannte »obligatorische Mittel«, dessen Verteilung der Europäische Rat bestimmt. Doch Baringdorf erzählt auch von den kleinen Erfolgen der Ebene: So haben sich die Parlamentarier einen Trick ausgedacht: Bei Agrarfragen wurde das Parlament konsultativ hinzugezogen, musste über die Gesetze abstimmen, ohne letztlich Bestimmungsgewalt zu haben. Auch konnte das Parlament keine eigenen Gesetze auf den Weg bringen. Um doch noch, zumindest informelle Mitsprachemöglichkeiten zu haben, verweigerten die Parlamentarier einfach die Endabstimmung. »Wir haben die dann einfach zappeln lassen«, erzählt Baringdorf. Die Folge: Es kam zu Kompromissverhandlungen mit dem Europäischen Rat: »Da konnten wir da mehr durchsetzen«.

Neu hinzugekommen ist in den vergangenen Jahren der Verbraucherschutz, auch »dank« BSE. Für den Bereich Umwelt- und Naturschutz sieht die neue Verfassung wie bisher eine »geteilte Zuständigkeit« vor: Die Europäische Union gibt Richtlinien vor, die die Länder dann spezfisch umsetzen. Halten sich die Länder nicht daran, drohen Vertragsverletzungsverfahren.