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Steuerbelastung ist zu niedrig (Teil 2)
Gut besuchte Veranstaltung des Forums: Rudolf Hickel, Brigitte Stelze (ver.di) und Andreas Schüssler (Forum Soziale Zukunft)
Dass die große Zahl der Menschen in Deutschland gar nicht mehr abhängig sei, hält Hickel für eine große Lüge. Nach wie vor sei die große Zahl der Erwerbstätigen abhängig beschäftigt, Arbeitslosigkeit sei die »brutalste Form der Abhängigkeit«. Hickel erteilt allen Aktivitäten, die den Sozialstaat zurückfahren, eine deutliche Absage. So würde Armut vorprogrammiert. Auch seien die Risiken nicht überschaubar: Wer für private Rentenversicherung plädiere, müsse auch sagen, dass die privaten Versicherungssysteme abhängig von der Entwicklung der internationalen Kapitalmärkte seien. Niemand könne so sagen, was eine private Rentenversicherung in dreißig Jahren tatsächlich an Rente abwerfe. Die Privatisierung sozialer Risiken bedeutet letztlich die Spaltung der Gesellschaft. Wachsendem privatem Reichtum einer kleinen Schlicht stehe öffentliche Armut gegenüber.
So gehen öffentliche Investitionen immer weiter zurück. Gerade die Kommunen seien von der Finanzkrise am stärksten betroffen. Für Unsinn hält Hickel das Postulat, dass jeder öffentlich ausgegebene Euro Verschwendung, jeder privat ausgegebene Euro hingegen wohlstandsmehrend sei. Hickel plädiert für eine völlige Umkehrung: Am Anfang aller Überlegung sollte stehen, was eigentlich an öffentlichen Investitionen und Dienstleistungen nötig sei, dann sollte die zweite Frage folgen: Wie ist das zu finanzieren?
In der Realität aber führe die rot-grüne Steuerpolitik dazu, dass Kapitalgesellschaften statt Steuern zu zahlen sogar Geld vom Staat bekommen. Als weiteres Beispiel rechnet Hickel für 2004 damit, dass es durch das Zusammenziehen zweier Steuerklassen zu weiteren dramatischen Steuereinbrüchen kommt. Hickel will also runter vom Sparkurs. Will öffentliche Investitionen wieder ankurbeln, fragt zunächst nach Bedarfen. Für ungültig erklärt er das grüne Argument, dass die folgende Generation die Schulden von Heute mitbezahlen müsse. »Blödsinn«, sagt Hickel. Nicht nur die Schulden, die Zinsen produzieren und schließlich irgendwann auch abbezaht werden müssen, werden vererbt, sondern auch die reichlich vorhandenen Vermögen. »Dann muss die nächste Generation eben verhandeln wie umverteilt wird«, stellt Hickel nüchtern fest.
Der Schwenk zu einer keynesianischen Finanzpolitik vollziehe sich aber dennoch bereits. Und zwar unter den Bedingungen der Krise. War für 2003 im Bundeshaushalt zunächst eine Neuverschuldung von 18,3 Milliarden Euro eingeplant, so sind es schließlich knapp 40 Milliarden geworden. Ein gutes Zeichen, findet Hickel. In Krisenzeiten zu sparen, hält er für den völlig falschen Weg. »Neuschulden sind der einzige Weg, mit dem sich intertemporär Wachstum schaffen lässt«, stellt er fest.
Begleitet werden soll die Politik der Neuverschuldung durch Gesetze, die den Reichtum der Gesellschaft stärker abschöpfen. Die Steuerschlupflöcher, eines der großen Themen der Anfangszeiten rot-grünen Koalition 1998, von dem heute kaum noch jemand spricht, müssten endlich geschlossen werden. Die Privilegien einzelner Branchen müssten zurückgenommen werden. Gleichzeitig will Hickel die Einkommenssteuer reformieren.
Seine These: Die gesamtwirtschaftliche Steuerbelastung ist viel zu niedrig, insgesamt lediglich 21 Prozent im Vergleich zum Bruttosozialprodukt. Damit liege Deutschland im europäischen Vergleich ganz hinten. 1999 seien es noch 23 Prozent gewesen, was heute 35 Milliarden Euro Mehreinnahmen bedeuten würde. »Es darf keine weiteren Steuersenkungen geben. Im Gegenteil: Wir brauchen mehr steuerliche Mittel«, sagt Hickel. Dabei müssten diejenigen, die viel Vermögen haben, mehr bezahlen.
Steuerbelastung ist zu niedrig (Teil 3)
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