Webwecker Bielefeld: erinnern01

Öffentliche Plätze für Erinnerungen (14.01.2004)



Erzählcafe
In gesammelter Atmosphäre über das eigene Damals und Heute sprechen




Sich erinnern, erzählen, zuhören, austauschen – Zeitzeugen erzählen aus ihrem Leben. Jetzt gibt es das Erzählcafe auch in Bielefeld. Am Freitag, 16. Januar erzählen sich Jung und Alt Geschichten über ihre Vorbilder.









Von Doro Partisch


»Ich kann mich an den Tag gar nicht genau erinnern!« Zustimmendes Nicken in der Runde, dann wieder Schweigen. Alle denken nach, wie das damals war. Plötzlich beginnt Ingrid zu erzählen, was ihr zu ihrer Einschulung einfällt. Sie spricht über Geschehnisse und über ihre Gefühle damals. Und dann ist es da, das Erinnern. Durch das Gehörte werden Bilder wach. Jeder erzählt seine Geschichte des ersten Schultages.

Am letzten Wochenende im November 2003 fanden sich in der Universität Bielefeld 20 interessierte Frauen unter der Anleitung von Regina Meyer, Leiterin des Zeitzeugenprojektes der Freien Altenarbeit Göttingen e.V., in einem Seminar zusammen, um sich über eine Methode der Biographiearbeit – das ›Erzählcafe‹ zu informieren und eine im Januar in Bielefeld stattfindende Veranstaltung vorzubereiten.


Mit Südstaaten-Jazz fing alles an

Erzählcafes entwickelten sich in Deutschland bereits Ende der 70-er Jahre. Die Idee stammt ursprünglich aus den USA. Prof. C. Wolfgang Müller, Pädagoge an der TU Berlin brachte sie von dort mit, nachdem in einer Kneipe alte und junge Menschen zum Thema Südstaaten-Jazz zusammengekommen waren und Veteranen und ehemalige Stars ihre Lebensgeschichte eindrucksvoll erzählten.

Mittlerweile gibt es Erzählcafes in vielen Städten in Deutschland, wie z.B. in Frankfurt/M., Berlin, Köln, München und auch in Göttingen. Als offene und öffentliche Erzählrunde findet dort seit 1996 ein Erzählcafe statt. Ein Ort zur lebendigen Darstellung persönlicher Lebensgeschichten und zum Austauschen von Erfahrungen wurde geschaffen. Vorbereitet und moderiert werden die Veranstaltung überwiegend von Regina Meyer.

Über den Ablauf der Veranstaltung verständigt sich Frau Meyer mit den Zeitzeugen. In längeren Vorgesprächen werden Regeln und Interviewleitfaden abgesprochen. Das Erzählte soll den Einstieg und Anregung für den weiteren Austausch von Erfahrungen zwischen dem Erzählenden und dem Publikum darstellen.


Nationalsozialismus, der Zweite Weltkrieg

Themen in den Erzählcafes waren und sind Erlebnisse aus der Zeit des Nationalsozialismus, des Zweite Weltkriegs, Erinnerungen an jüdische Nachbarn und die Nachkriegszeit, Flucht und Neuanfang. Zeitzeugen berichten über das eigene Erlebte, die eigenen Biographie, die in Geschichten beschrieben wird.

Ein Ziel des Zeitzeugenprojektes ist der Dialog zwischen Alt und Jung. Daraus soll sich Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl entwickeln, die Vereinsamung und Resignation verhindern. Vergangenheit wird bewältigt, dem Vergessen von Zeitzeugenwissen wird entgegengesteuert. Vergleiche zwischen »gestern« und »heute« können gezogen werden. Das schafft Verbundenheit der Generationen.