Gehör bei Manfred Hudalla fand die Belehrung von Richter Fels, dass er die Wahrheit sagen müsse. Der ehemalige Drogenkommissar, der inzwischen das Betrugsdezernat leitet, revidierte seine Aussage vom 27. März. Da war das Gericht auf dem Gelände in der Wilhelm-Bertelsmann-Straße, Hudalla hatte gezeigt, aus welchem Fenster ein Observationsvideo gedreht worden sein soll. Wie er jetzt einräumte, sei das Video aus einem anderen Gebäude gedreht worden, als er ursprünglich angegeben hatte. Bei dem Lokaltermin hatte Hudalla auf Nachfrage eines Richters noch behauptet, dass dieses Gebäude für Beobachtungen nicht geeignet gewesen sei. Observationen des Geländes seien nicht mehr möglich gewesen seien, nachdem ein LKW die Sicht aus dem von ihm gezeigten Fenster als einzig möglichem Observationspunkt behindert habe, hatte Hudalla bei dem Lokaltermin gesagt.
Ein weiteres Thema der Befragung des Zeugen Hudalla war der Bericht eines Polizeibeamten. Der soll am 22. Dezember 1998 beobachtet haben, wie ein Nutzer der Anlaufstelle einem Mann mit Bomberjacke, mutmaßlich Mitarbeiter des vor der Einrichtung stationierten Wachdienstes einen Geldschein übergab. Ein Sozialarbeiter soll das beobachtet haben. Es kam der Verdacht auf, dass Mitarbeiter des Wachdienstes in den Drogenhandel verstrickt seien. Der Verdacht sollte sich im September 1999 bestätigen, als zwei Mitarbeiter des Wachdienstes nach einer Schießerei an der Paulusstraße mit Kokain und einer scharfen Waffe verhaftet wurden. Es waren die zwei Mitarbeiter, die am 22. Dezember Dienst hatten.
Die Ermittlungen wegen der Geldübergabe wurden von Hudalla und seinem Stellvertreter Blomeyer jedoch nicht weiterverfolgt. Der Grund war zum einen, dass der Polizeibeamte den Mann mit der Bomberjacke nicht identifizieren konnte. Der habe bei einer Befragung verängstigt gewirkt, so Hudalla, und in einem Telefongespräch gegenüber Blomeyer gesagt haben, dass er »wegen der Behördenlinie« nicht eingeschritten sei. Diese Behauptung war auch Gegenstand eines Gesprächs der beiden leitenden Drogenkommissare mit Uwe Gebranzig und Heinz Haubrock. Das Gespräch war laut Hudalla der zweite Grund dafür, dass der Vorfall nicht weiter verfolgt wurde.
In der Besprechung hatte Uwe Gebranzig seine Verärgerung über den Entwurf Blomeyers für einen Vermerk über den Vorgang ausgedrückt. In dem stand unter anderem: »So sollen sich Einsatzkräfte weitestgehend vom Gelände fernhalten.« Es sei jedoch »ein offenes Geheimnis, dass in der Anlaufstelle Drogen gehandelt und konsumiert werden«, hieß es in dem Entwurf weiter. Unter anderem wegen dieser Aussagen hätten die Polizeidirektoren nicht gewollt, dass der Vermerk an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet werde.
»Dann muss ich den Vorgang wohl kaputt schreiben«, sei seine Schlussverfolgung aus dem Gespräch gewesen, so Hudalla in seiner Zeugenaussage. Auf die Frage von Richter Fels, ob das von ihm verlangt worden sei, entgegnete er: »Die Herren sind ja nie deutlich geworden.« Ob er mit dem Leiter des Drogendezernats der Staatsanwaltschaft, Oberstaatsanwalt Steffen, über den Vorfall gesprochen habe, wisse er nicht mehr.
Auch die Erinnerung des Zeugen an andere Kontakte zur Staatsanwaltschaft waren blass. Zweier Tatsachen war er sich jedoch sicher. Er habe nie mit Steffen darüber gesprochen, welche Fakten man noch brauche, um gegen die Mitarbeiter der Drogenberatung Vorgehen zu können. Hudallas Aussage, dass er nie Unterlagen gegen deren Geschäftsführung oder die Polizeiführung gesammelt habe, entlockt Richter Fels ein Seufzen.