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»Soziale Sensibilität hinterfragen« (Teil 2)



Kann sich dieses Modell für die städtischen Kliniken dann auch rechnen?

Es würde sich in diesem Fall rechnen. Nur muss es dann aber auch Beschäftigte geben, die bereit sind, zu diesen Bedingungen zu arbeiten. Denn wenn die Schraube immer weiter runtergedreht wird, ist davon auszugehen, dass sich gerade in den qualifizierten Bereichen immer weniger finden, zu diesen Bedingungen zu arbeiten. Das hat dann Auswirkungen auf die Pflege insgesamt. Wie weit da noch eine qualitätsgerechte Pflege möglich ist, ist eine große Frage. Es ist zu befürchten, dass wir dann zu einer gefährlichen Pflege kommen, die ja heute bereits in einigen Bereichen existiert. Diese Entwicklung hängt damit zusammen, dass in anderen Einrichtungen, in konfessionellen Krankenhäusern , keine Tarifverträge vorhanden sind. Dort ist es durchaus möglich, durch sogenannte Vereinbarungen Absenkungen vorzunehmen, zum Beispiel Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich durchzuführen oder das Weihnachtsgeld zu reduzieren. Diese konfessionellen Einrichtungen haben dann gegenüber den kommunalen Einrichtungen einen Vorteil. Das ist der Ausfluss dieses marktwirtschaftlichen Systems gerade im Bereich Gesundheitswesen.


Warum leidet der Pflegebereich, wenn er nicht ausgegliedert wird?

Indirekt. Man sieht bereits heute Veränderungen dahingehend, dass geplant ist, Stationshilfen einzusetzen, die auf den Stellenschlüssel der Pflegekräfte angerechnet werden. Eine Verschiebung findet statt: Der Anteil der qualifizierten Pflegekräfte wird immer mehr reduziert. Das ist mit Sicherheit kein Weg, um eine qualitätsgerechte Versorgung der Patienten zu erlangen.


Gibt es die Stationshilfen schon?

Nach meiner Kenntnis sind die bereits teilweise eingeführt worden, nicht nur in den städtischen Kliniken, sondern auch in anderen Einrichtungen.


Könnten dann für die Stationshilfen nicht auch andere Tarife kommen?

Ich hoffe, dass nicht versucht wird, die Stationshilfen in einem anderen Tarifgefüge einzuordnen, sie als Dienstleister definiert und den entsprechenden, niedrigeren Tarif des Hotel- und Gaststättengewerbes, der ja für Hotels und Gaststätten und nicht für Krankenhäuser abgeschlossen wurde, anwendet. Ich sehe hier eine soziale Verantwortung bei der Geschäftsführung der Städtischen Kliniken, auch bei der Stadt Bielefeld in der Repräsentanz des Oberbürgermeisters. Eine hohe Verantwortung hat auch der Aufsichtsrat der Kliniken, der sich auch aus den Vertretern der Parteien zusammensetzt.


Das Ausgliedern von Betriebsbereichen, kann das überhaupt ein verallgemeinerbares Modell sein?

Es ist kein Modell, auszugliedern und zu privatisieren. Die Einflussnahme der Bevölkerung, vertreten durch den Rat der Stadt Bielefeld, vertreten auch durch den Aufsichtsrat, nicht mehr gegeben ist. Hier werden kommunale Einrichtungen beziehungsweise Teile davon verkauft, wo dann der Bürger keinen Einfluss mehr hat. Noch haben wir die Beteiligung der Bürger, wo der Bürger durch den Aufsichtsrat beziehungsweise durch den Rat noch Möglichkeiten hat, sich für seine eigenen Belange einzusetzen. Wenn man das aufgibt, unterliegt man immer mehr den Gesetzen der sogenannten freien Marktwirtschaft. Das heißt, es ist dann nicht mehr steuerbar. Beispiele wie Polen und Großbritannien zeigen, wie ein Gesundheitssystem nach der Privatisierung am Boden liegt. Hier hat der Staat insgesamt eine Verantwortung. Und für die städtischen Beschäftigten könnte es bedeuten, dass bei den Teilausgründungen Tarifflucht begangen wird. Dann greift kein Tarifvertrag mehr, unter Umständen greifen dann nur noch einzelvertragliche Regelungen die bis auf die gesetzlichen Mindestbedingungen abgesenkt sind. Hier müssen wir den Widerstand organisieren. Das heißt ganz konkret, auf politischer Ebene tätig zu werden, gemeinsam mit den Beschäftigten.