Ein politischer Zwischenruf über die Leitkultur des Neoliberalismus, Hirneinbrennungsprozesse und eine Industriegewerkschaft Metall, die sich gerade selbst die Zähne zieht. Von Manfred HornDie ZDF Heute-Journal Redaktion zerrte einen Opel-Mitarbeiter vor die Kamera. Er sagte: »Bis in die 80er Jahre war ich auch IG Metall-Mitglied. Als es dann um die 35 Stunden-Woche ging, bin ich ausgetreten«. Die Frankfurter Rundschau, eine Zeitung mit sozialdemokratischer Tradition, schreibt seit Wochen mit schöner Regelmäßigkeit gegen den stellvertretenden IG Metall Vorsitzenden Jürgen Peters, der unter anderem als »Scharfmacher« gezeichnet wird. Deutlich zeigt sich der neoliberale Zeit-Geist quer durch nahezu alle Medien, ausgenommen einige kleinere Zeitungen und Zeitschriften, die nur wenige LeserInnen erreichen.
Peters, designierter Nachfolger des Noch-IG-Metall Chefs Klaus Zwickel, wird innerhalb der IG Metall für die Streik-Niederlage der Gewerkschaft im Osten Deutschlands verantwortlich gemacht. Im Juni wurde kräftig gestreikt, herausgekommen ist nichts. Ein Streikabbruch ohne Ergebnis, ein fatales Signal für eine Gewerkschaft. Jetzt wird die Eisenhütte öffentlich ausgefegt, wobei die Besenbesitzer mit hoher Geschwindigkeit wechseln.
Dabei liegen allerhand Missverständnisse vor. Eines ist, dass zahlreiche Medien von »Traditionalisten« und »Modernisierern« reden. Wie oft, sind die Begriffe bewusst reduziert und auch bewusst irreleitend. »Traditionalisten«, so wird vorgegeben, halten an Bräuchen, Ritualen fest. Das ist schlecht. Sechs, setzen, sagen da die Modernisierer. Die sehen sich als diejenigen, die die neuen gesellschaftlichen Realitäten anerkennen und sich eher als Profiteure von florierenden Unternehmen begreifen. Motto: Wir sorgen dafür, dass es dem Unternehmen gut geht und handeln dann auch was für uns raus.
IG-Metall-Vorsitzender Zwickel weilte vor noch gar nicht allzulanger Zeit, am sonnigen 1. Mai des Jahres 2003, im Bielefelder Ravensberger Park und watsche verbal die Bundesregierung für ihre Agenda 2010 ab. Der neben Zwickel gehende und manchmal auch hinter ihm stehende Rainer Wend, seines Zeichens Bielefelder SPD-Abgeordneter, bekam einiges zu hören und erntete wütende Pfiffe der anwesenden gewerkschaftlich bewegten Kleinstmasse.
Keine sechs Wochen später greift Zwickel Peters massiv an. Der Streik im Osten sei so nicht abgesprochen gewesen, viel zu lange habe er gedauert, die Produktion in westdeutschen Automobil-Betrieben seien betroffen worden. Eindeutig: Zwickel outet sich, um nochmals diesen Allerwelts-Begriff zu bemühen, als Modernisierer. Tarifauseinandersetzungen ja, aber bloss nicht die Gewinne der Unternehmen und den wackligen Wirtschaftskurs der SPD geführten Bundesregierung gefährden.