Der Schein von Ja oder Nein (12.11.2003)
Ein Einwurf von Manfred HornWie würden Sie auf folgende Frage antworten? »Wären Sie persönlich bereit, jede Woche ein bis zwei Stunden länger zu arbeiten, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu stärken und Arbeitsplätze zu sichern?« Nach einer aktuellen Umfrage von ›infratest dimap‹, einem der großen deutschen Meinungsforschungsinstitute mit Sitz in Berlin, sagen 69 Prozenten der Beschäftigten »ja«, wären also bereit, mehr zu arbeiten.
Doch wie hätten Sie auf folgende Frage geantwortet: »Wären Sie persönlich bereit, jede Woche ein bis zwei Stunden länger zu arbeiten, um den Profit der Unternehmen zu steigern, damit die Rationalisierung voranzutreiben und Arbeitslosen keine Chance zu geben, in der Wirtschaft ein Job zu finden?«. Klar ist, dass Meinungsforschung immer mehr zur Meinungsmache verkommt. Dass Statistik im Bereich der Politik Fragen so anlegt, dass die Antwort mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit – und ich bitte den Begriff der Wahrscheinlichkeit hier nicht mathematisch zu sehen, ich bin kein Statistiker – auf der Hand liegt, ist äußerst unlauter. Eine seriöse Fragestellung hätte sich wie folgt reduziert: »Wären Sie persönlich bereit, jede Woche ein bis zwei Stunden länger zu arbeiten?«. Und Punkt.
So sind in den vergangen Monaten immer wieder Ergebnisse zustande gekommen, die die angedachten und teilweise schon umgesetzten Reformen der Bundesregierung im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik stützen. Damit aber sind wir wieder in einem quasitheologischen Zeitalter angekommen: »Gebet den Herren, auf das den Dienern ein paar Krümmel vor die Füße fallen«. Das Diktat des Neoliberalismus wird medial und statistikal nahezu alternativlos dargestellt. Infratest dimap, dem eine gewisse Verknüpfung mit der Sozialdemokratie nachgesagt wird, ist dafür ein kleines, aber gutes Beispiel. Also, liebe Mitbürger, ein Rat zum Schluss: Vorsichtik mit der Statistik!