So sind wir mit dem Zug nach Bielefeld gekommen. In Bielefeld hat man uns in einem großen Raum in der 2. Etage untergebracht, wo wir außer dem Himmel nichts gesehen haben. Wir schliefen wie Vieh wieder auf dem Boden. Da haben wir das erste Mal richtige Suppe bekommen. Einmal ist eine alte Frau gekommen. Sie hat unsere Köpfe abgetastet, ob wir wirklich Hörner haben. Sie hatte gehört, dass Russen Hörner haben. Wir haben bei den Dürkoppwerken gearbeitet. Ich habe als Schweißerin gearbeitet. Da die sanitären Bedingungen sehr schlecht waren, haben wir Läuse bekommen. Aber keiner von der Fabrikleitung hat etwas unternommen. Dann habe ich meine Läuse in einer Streichholzschachtel gesammelt und bin zum Meister gegangen. Er saß am Tisch. Die Läuse habe ich auf dem Tisch verstreut. Er ist aufgesprungen wie angestochen, aber es war nicht umsonst. Später haben sie uns in eine Banja gebracht und uns saubere Kleidung gegeben. Wir sind in Baracken umgezogen. Da standen zweistöckige Betten mit Decken und Kopfkissen. Wir haben Holzschuhe bekommen.
Unser Arbeitstag hat um 7 Uhr begonnen. Zu Essen haben wir fast immer Steckrüben und Spinat mit Würmern bekommen. Einmal haben wir Essen mit Mäusefäkalien bekommen. Dann haben wir es nicht mehr ausgehalten und protestiert und danach bekamen wir Kohlsuppe.
Ich möchte gern etwas Gutes über Ingenieur H. sagen. Er war sehr menschlich. Oft hat er uns gerufen, so dass es die Faschisten nicht sahen und hat uns Suppe gegeben, die von den Deutschen übrig geblieben war. Meine Freundinnen und ich, wir haben uns auf dem Dachboden versteckt und gegessen. Herr H. war immer so nett zu uns. Bis heute erinnere ich mich daran. Unsere Meister Robert, August, Rudi und Otto waren auch keine schlechten Jungs. Im Gegensatz zu den anderen, haben sie uns nicht wie Vieh behandelt.
Ein paar mal am Tag hat man uns gezählt. Wir haben viel erlebt, hatten keine Erholung und waren ständig müde. Nach der Arbeit gingen wir in die Baracken. Da hatten wir die Möglichkeit uns zu waschen. Uns war immer kalt, und wir waren immer hungrig. Wir bekamen nur einmal am Tag Essen. Da wir viel gearbeitet haben und jung waren, wollten wir immer essen. Am Sonntag waren wir bei Bauern, die zu uns ganz unterschiedlich waren. Manche haben uns noch nicht einmal Wasser gegeben, haben uns »russische Schweine« genannt und demütigten uns. Die ande-ren haben uns Milch gegeben und waren nett und freundlich. Am Samstag haben wir bis 12 Uhr gearbeitet und danach in der SS-Schule Kartoffeln geschält. Die SS-Beute waren sehr grausam und haben uns beleidigt. Sie haben in unsere Richtung gespuckt.
Ich weiß jetzt nicht genau, ich glaube im Jahre 1944 begann man mit den Bombardierungen. Alle Baracken haben gebrannt. Man hat uns in einer Gaststätte bei einer Frau W. untergebracht. Sie hat uns leidenschaftlich gehaßt. Für 3 l/2 Tage bekamen wir ein Viertel von einem Brotlaib und ein bisschen Butter. Frau W. hat uns ständig gequält und geschlagen. Einmal hatten wir keine Geduld mehr und haben zurückgeschlagen. Später waren wir drei bei der Gestapo. Bei der Gestapo hat man uns verhört und grausam geschlagen. Wir waren halbtot. Als wir zurückkamen, hat uns unser Meister Rudi Essen gegeben, und wir brauchten an dem Tag nicht zu arbeiten. Ich durfte mich hinlegen. Wenn er noch lebt, soll er gesund und glücklich sein, und wenn er gestorben ist, soll er in Frieden ruhen.
Wenn man bombardiert hat, haben wir uns im Wald versteckt. Die Amerikaner haben uns vor der Bombardierung mit Flugblättern gewarnt. Manchmal haben wir in der Nacht gearbeitet. Wir verdienten ganz wenig Geld, und auch für das Geld durften wir nicht alles kaufen. Man verkaufte an uns nur Rüben und Schuhe. Sie haben uns nicht so oft gezählt wie früher. Wir durften ohne Bewachung in die Stadt gehen. Der ständige Hunger, die Beleidigungen, die Arbeit ohne Erholung, Sehnsucht nach Verwandten und der Heimat haben uns zur Verzweiflung gebracht und die Seele zermürbt.