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Bertelsmann war kein Widerstandsverlag (Teil 3 und Kommentar)



Die unabhängige Historikerkommission stellte sich auch die Frage, welche Handlungsspielräume ein privater Verlag unter nationalsozialistischer Herrschaft hatte. Die Antwort: Der Spielraum war im Falle Bertelsmann sehr begrenzt, weil Unternehmensleiter Heinrich Mohn unbedingt den unternehmerischen Erfolg wollte. Mohn trat der NSDAP zwar nicht bei, spendete aber an nationalsozialistische Organisationen und war selbst Mitglied im ›Förderkreis der Allgemeinen SS‹. »Zu der weitverbreiteten weltanschaulichen Synthese von konservativem Protestantismus und deutschem Nationalismus trat im Fall von C. Bertelsmann ein fast intuitives Talent zur Zusammenarbeit mit dem nationalsozialistischen Regime«, bemerkt die UHK. »Bertelsmann hielt, so lässt sich zugespitzt formulieren, eine besonders attraktive verlegerische Antwort auf den Markt und auf die Ideologie der ›Volksgemeinschaft‹ bereit, die als politisches Konzept in Deutschland bereits vor 1933 präsent und mental 1945 noch nicht zu Ende war«.


Der Kommissionsbericht ist soeben im C. Bertelsmann-Verlag erschienen. Im ›Gesamtverzeichnis‹ sind alle zwischen 1921 und 1951 in den Verlagen Bertelsmann und ›Der Rufer‹ (der von Bertelsmann aufgekauft wurde) erschienenen Titel bibliographisch erschlossen.

Saul Friedländer u.a.: ›Bertelsmann im Dritten Reich‹. Bertelsmann-Verlag, 2002. 35 Euro

Saul Friedländer u.a.: Bertelsmann 1921-1951 ›Gesamtverzeichnis‹. Bertelsmann-Verlag 2002. 20 Euro






Kommentar

Geld statt Moral



Irgendwie ist es doch immer das gleiche und Bertelsmann keine Ausnahme. Jahrzehntelang schwiegen Unternehmen über ihre NS-Vergangenheit oder dichteten sich sogar einen Widerstandsmythos an. In unterschiedlicher Ausprägung gilt dies in Bielefeld zum Beispiel für die ›von Bodelschwingschen Anstalten/ Bethel‹ oder für den Lebensmittelproduzenten ›Dr. Oetker‹. Anders als das Puddingunternehmen erkannte Bertelsmann als Medienriese sehr schnell, dass die Leugnung historischer Tatsachen wenig Erfolg versprechen würde und berief eine unabhängige Historikerkommission ein. Ob die Kommission eine Public-Relations-Strategie war, um einen drohenden Schaden durch unkontrollierbare Veröffentlichungen zu begrenzen oder dem schlechten Gewissen einiger Manager entsprang, ist dabei von nachrangiger Bedeutung. Wichtiger schon, dass Bertelsmann kaum Quellenmaterial aus den Jahren 1933 bis 1945 anbieten konnte. Dieser Teil der Geschichte sollte wohl möglichst im Dunkeln gehalten werden.

Nun sprechen die Ergebnisse der Kommission eine deutliche Sprache: Mittels nationalsozialistischer Literatur explodierten bei Bertelsmann die Auflagen und Gewinne. In den Jahren 1933 - 1945 entstand der Großkonzern, der heute weltweit die Nummer 1 im Mediengeschäft ist. Die Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten ging weit über das Maß hinaus, auf das sich das Unternehmen hätte einlassen müssen. Dafür verantwortlich ist eine konservative und nationalistische Grundhaltung des Unternehmens in dieser Zeit – und der unbedingte Wille zum unternehmerischen Erfolg. Und der ist nicht moralisch, sondern kennt nur eine Kategorie: bildlich die aufgehäufte Menge an Geld, an der sich schon Dagobert Duck berauschte.

Ambivalent erscheint, dass Bertelsmann den Bericht im eigenen Verlag erscheinen lässt. Das bestärkt zwar die Aussage des neuen Vorstandsvorsitzenden Gunter Thielen, man wolle die Untersuchung der Geschichte durch die UHK als offizielle Darstellung der Geschichte des Unternehmens akzeptieren, lässt aber andererseits die protestantische Ethik des Unternehmens erneut durchscheinen: Der Verlag eröffnet potenziellen Lesern sogar das Angebot, beide Bücher zusammen für 50 Euro und damit fünf Euro günstiger als beim Einzelkauf zu erwerben. Ein politischer Zug wäre es gewesen, die Erträge durch den Verkauf der Bücher den ZwangsarbeiterInnen – von denen Bertelsmann auch einige beschäftigte – zukommen zu lassen. Davon allerdings ist nichts bekannt.