Webwecker Bielefeld: bertelsmann02

Bertelsmann war kein Widerstandsverlag (Teil 2)



Bevor Bertelsmann seine Affinität zum Nationalsozialismus entdeckte und damit auch der kommerzielle Erfolg des Unternehmens begann, verlegte das Unternehmen vor allem theologische Druckerzeugnisse. Seit der Verlagsgründung 1835 agierte der Verlag »in einem weltanschaulichen Kontext, der geprägt war durch die enge Verbindung, ja die Einheit von protestantischer Glaubensfestigkeit und konservativer Staatsgesinnung«, hält der Abschlussbericht der UHK fest. Heraus kamen Gesangsbücher, Kalender vor allem der neupietischen Erweckungsbewegung, deren volksmissionarische Reformbestrebungen sich gegen die bibelkritischen Ideen der Aufklärung richteten und die »im ostwestfälischen Gütersloh eines ihrer Zentren hatte«. Heinrich Mohn leitete das Unternehmen ab 1921 in vierter Generation, auch er war überzeugter Protestant, öffnete ab 1928 den Verlag aber für belletristische Titel. Mohn war bis 1924 Mitglied der DNVP (Deutsch-Nationalen Volkspartei), die nationalistisch-monarchistisch orientiert war.

Der Abschlussbericht der UHK betont die »zuvor undenkbaren kommerziellen Erfolge«, die mit trivialen, belletristischen Titeln nationalistischer beziehungsweise nationalsozialistischer Prägung ab 1933 erzielt wurden: den Heften der Jugendserie ›Spannende Geschichten‹, den Kriegserlebnisbüchern über den ersten Weltkrieg, den Kriegsberichten aus dem zweiten Weltkrieg, Produktionen für Wehrmachtsangehörige wie die ›Kleine Feldpost-Reihe‹. Einflussreiche völkische Literaten wie Will Vesper und Hans Grimm konnten für den Verlag gewonnen werden – sie wollte Mohn auch nach 1945 unbedingt weiter an den Verlag binden. »Den durchschlagenden Erfolg, den Bertelsmann im Herbst 1934 mit ›Flieger am Feind‹ feierte, dem ›Weihnachtsbuch der Hitlerjugend‹, verstand man als Signal«, schreibt die UHK. Die kriegerischen Schicksale deutscher Männer ließen sich vortrefflich vermarkten, bemerkte Mohn. »Die Schnelligkeit und die Konsequenz, mit der C. Bertelsmann sein belletristisches Programm völlig umstellte, hob das Unternehmen gegenüber vergleichbaren Privatverlagen deutlich heraus«, urteilt die UHK.

Nach den Beginn des Krieges verschärfte Bertelsmann seine belletristischen Töne: »Hefte sogenannter Kriegsberichter schilderten den ›Blitzkrieg‹, und der Angriffskrieg erschien, ganz den Wünschen des Regimes gemäß, als jenes große Abenteuer, an dessen Ende der Sieg der mental und technisch überlegenen deutschen Truppen unausweichlich war«, stellt die UHK fest und kommt zu dem Schluss: »Die Auswahl der Titel, über die im Verlag entschieden wurde, war nicht Ausdruck einer wie auch immer gearteten Distanz oder gar Opposition, sondern Ergebnis einer geschickten Anpassung an die sich wandelnden Lektürebedürfnisse der Soldaten«. Behördliche Eingriffe seien in aller Regel kein Zeugnis widerständiger Literatur gewesen, sondern »entsprangen der Unberechenbarkeit eines auf Vorzensur verzichtenden Kontrollsystems«.

Auch aus den von 1943 bis 1945 laufenden Ermittlungen seitens der Staatsanwaltschaft ließe sich keine Oppositionshaltung des Verlages ableiten. »Sie ergaben sich vielmehr aus dem Versuch, die gewinnträchtige ideologisch konforme Produktion auch gegen die im Zeichen des ›totalen Krieges‹ Forderungen der Kriegswirtschaftsindustrie uneingeschränkt durchzusetzen«, schreibt die UHK. Kurz: Der Bertelsmann-Verlag versuchte, möglichst viel Papier zu horten, um möglichst hohen Profit zu machen, was den Kriegsstrategen aber gegen den Strich ging. 1944 wurde der Bertelsmann-Verlag geschlossen, was laut UHK vor allem im Interesse »mancher Parteistellen und Konkurrenten lag«, die vom Aufstieg des Bertelsmann-Verlags zum führenden Konzern im Belletristik-Geschäft wenig begeistert waren, beispielsweise der im Besitz der NSDAP befindliche Eher-Konzern.