Im Gegenteil, der Weiterbildungsträger müsste erst nachweisen, dass eine 70-prozentige Chance auf die Vermittlung einer Arbeitsstelle nach der Qualifizierungsmaßnahme besteht. »Da bleibt dann nur: Stellenangebote sammeln und mit der Wirtschaft sprechen«, fügt Brüschke an. Und: Wäre das Angebot des Trägers nicht nur eine Fortbildung, sondern eine Umschulung, müsste diese vorher von der Industrie- und Handelskammer beziehungsweise Handwerkskammer zugelassen werden. Gerade für viele kleinere Bildungsanbieter ein zu hohes Risiko.
Weiterbildungsinsider sprechen von einem Weiterbildungsmarkt in völliger Bewegung. Wie der Markt in einem Jahr aussehe, wisse keiner. In den nächsten Wochen werden die Arbeitsämter auf ihren Internetseiten eine sogenannte »Bildungszielplanung« veröffentlichen. Dann können die Bildungsträger sehen, in welchen Bereichen es im kommenden Jahr Bildungsgutscheine geben wird. Parallel dazu werden landesweit Bildungsmaßnahmen ausgeschrieben, auf deren Durchführung sich Bildungsträger dann bewerben können. Die Institution, die dann den Zuschlag bekommt, müsste ihre Bildungsmaßnahme dann öffentlich bewerben, sich Interessenten suchen. Sind die gefunden, müsste man die dann zum Arbeitsamt schicken mit der Maßgabe, sich dort einen entsprechenden Bildungsgutschein zu holen. Bei diesen Ausschreibungen sollen Qualitätsaspekte berücksichtigt werden. Doch in Zeiten knapper Kassen und wohl auch wegen mangelnder Möglichkeiten wirklicher Qualitätssicherung wird in der Weiterbildungsbranche befürchtet, dass dann die Träger zum Zuge kommen, die die günstigsten Angebote machen. Das aber würde heißen, dass sich das System von Umschulungen und Fortbildungen statt qualitativ verbessern eher verschlechtern würde.
Aus der Perspektive der Arbeitslosen hat sich einiges getan: Sie können zwar formal stärker mitentscheiden, was und wo sie eine Qualifizierung machen wollen. Doch in der Praxis stößt dies immer wieder auf Hindernisse. Nicht nur, dass mancher Kurs mangels Masse an Bildungsgutscheinen an einem Weiterbildungsort gar nicht zu Stande kommt, auch bekommen nicht alle Arbeitslose Bildungsgutscheine: Gerade über 50-Jährigen wird der Gutschein durchaus verweigert, weil das Arbeitsamt nicht mehr in Weiterbildung investieren will. Wie das mit einem geplanten Renteneintrittsalter von 67 Jahren zusammenpasst, bleibt da wohl das Geheimnis der politischen Entscheider.
Kommentar von Manfred HornGeplantes Chaos
Nein, die Arbeitsämter können nichts dafür. Verantwortlich für das Durcheinander ist der Gesetzgeber, die Bundesregierung. Sie brauchen den arbeitsmarktpolitischen Erfolg, koste er, was er wolle: Im Zweifelsfall sogar Arbeitsplätze. Denn mit dem System der Bildungsgutscheine, das ohne jede Probephase eingeführt wurde, sind bereits bis heute zahlreiche feste Arbeitsplätze im Weiterbildungsbereich weggefallen oder in unsichere Honorarverträge umgewandelt worden.
Eine erste Zwischenbilanz nach zehn Monaten Bildungsgutscheinen fällt negativ aus: Statt Transparenz herrscht Chaos, statt Qualitätssicherung Planungsunsicherheit. Der Markt kann hier wie überall eben nicht alles richten. Es wird in den nächsten Monaten einen starken Konzentrationsprozess geben: Nur noch wenige Weiterbilder werden überhaupt vom Arbeitsamt finanzierte Maßnahmen anbieten können. Und: Gesenkte Kosten sind für die Bundesanstalt für Arbeit zwar ganz schön, doch ob durch überregionale Ausschreibungsverfahren die Qualität erhalten bleiben kann, ist doch mehr als unsicher. Die Vorteile, die dem Arbeitslosen mit dem Bildungsgutschein versprochen wurden, lösen sich dann schnell in Luft auf, wenn sich auf dem Bildungsmarkt regionale Anbietermonopole herausbilden. Dann ist es schnell vorbei mit der Wahlfreiheit.