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Zaster-Raster (25.06.2003)



Durch einen Datenabgleich zwischen dem Bundesamt für Finanzen und den BAFöG-Ämtern sollen Studierende ausfindig gemacht werden, die die Ausbildungdarlehen zu Unrecht kassierten. Datenschützer kritisieren das Vorgehen der Behörden.

Von Mario A. Sarcletti

Etwa siebentausend Studierende an der Universität Bielefeld werden nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAFöG) unterstützt, etwa ein Fünftel von ihnen steht zur Zeit unter dem Verdacht, die Ausbildungsförderung zu Unrecht erhalten zu haben. Sie hatten bei der Antragstellung möglicherweise mehr als die erlaubten 5.200 Euro auf ihrem Konto. Diesen Freibetrag räumt das BAFöG den Empfängern der Unterstützung ein. Der wurde im April 2001 nach 24 Jahren von 6000 auf 10000 D-Mark erhöht.

»Das heißt aber nicht, dass zwanzig Prozent der BAFöG-Empfänger etwas zurückzahlen müssen«, stellt Christian Noske klar, Abteilungsleiter der BAFöG-Abteilung des Bielefelder Studentenwerks, das in der Region für die Bearbeitung der Förderanträge zuständig ist. Die Betroffenen werden jetzt angeschrieben und müssen ihr Kapitalvermögen noch einmal offenbaren.

Aufgeflogen sind die »Sozialbetrüger«, wie sie der »Spiegel« nennt, durch einen Datenabgleich zwischen den für das BAFöG zuständigen Landesbehörden und dem Bundesamt für Finanzen. Dabei wurden die Zinserträge der Betroffenen mit ihren Angaben im BAFöG-Antrag verglichen. Der Datenabgleich begann in den verschiedenen Bundesländern zu unterschiedlichen Zeitpunkten, in Nordrhein-Westfalen lief er im Herbst 2002 an. Bundesweit werden etwa 300.000 BAFöG-Bezieher überprüft, auch hier wird etwa ein Fünftel der Studierenden verdächtigt, sich die Förderung erschlichen zu haben.

»Das Hauptproblem ist doch, dass das BAFöG total an der sozialen Realität vorbei geht«, sieht Stefan Bröhl, Vorsitzender des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) das Problem weniger bei den BAFöG-Empfängern als auf Seiten des Gesetzgebers. Der Freibetrag sei immer noch zu niedrig so Bröhl. Den Datenabgleich hält er für nicht zulässig: »Das Vorgehen der Behörden ist keineswegs im Sinne des Datenschutzes«, kritisiert Bröhl die Rasterfahndung, die er im politischen Kontext sieht: »Da kommt wieder dieser Schilyspruch 'Datenschutz ist Täterschutz', die Privatsphäre wird komplett eingeschränkt und das alles zum Wohle der Gemeinschaft«, stellt Bröhl eine Verbindung her zu Videoüberwachung und andere Angriffe auf Bürgerrechte.

Auch der stellvertretende Datenschutzbeauftragte des Landes, Burkhard Freier, hat massive Vorbehalte gegenüber dem Vorgehen der Behörden: »Es handelt sich hier um die Übermittlung von Sozialdaten, die dem Sozialgeheimnis unterliegen. Deren Übermittlung ist nur zulässig, wenn es eine gesetzliche Übermittlungsbefugnis gibt, wie zum Beispiel im Bundessozialhilfegesetz«, erklärte er gegenüber Hertz 87,9 - Campusradio Bielefeld. »Nach dem Menschenbild unseres Grundgesetzes ist es eben so, dass der Staat nicht jeden als potenziellen Rechtsbrecher ansehen darf. Er muss vielmehr davon ausgehen, dass die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger rechtstreu ist«, kritisiert Freier die flächendeckende Kontrolle.

An die Rechtstreue der Studierenden glaubt auch Christian Noske: »Die Masse der Studierenden ist ehrlich«, betont er. Die Medien würden das Thema mit Begriffen wie »BAFöG-Fahnder« sehr reißerisch angehen. Stefan Bröhl glaubt, dass dies kein Zufall ist: »Wir erinnern uns an Themen wie Langzeitstudierende, Studiengebührendiskussion: Auch alles Sozialschmarotzer, das ist immer die gleiche Masche. Studierende werden als privilegierte Masse dargestellt, die sich ein schönes Leben macht und Geld abzockt«, ordnet er die Skandalisierung des Themas in den neoliberalen Bildungsdiskurs ein.