Ausgezeichnete Datenkraken (Teil 2)
Da ist der Innensenator von Berlin denn doch ein etwas kleinerer Bruder, nach Meinung der Jury hat er dennoch den Preis in der Kategorie Regional redlich verdient. Ausgezeichnet wurde Dr. Ehrhart Körting für den Einsatz von stillen SMS zur Ortung von Verdächtigen, obwohl diese Methode rechtlich nicht gedeckt ist. Damit berührt Berlin einen »rechtsstaatlich existenziell wichtigen Punkt, nämlich das Verhältnis von vollziehender und gesetzgebender Gewalt bei der Schaffung neuer Eingriffsbefugnisse«, begründete Laudator Fredrik Roggan die Preiswürdigkeit Körtings.
Die weiteren Preisträger hatten zwar nicht in die Telekommunikation, dafür aber massiv in die Privatsphäre der Betroffenen eingegriffen: Die Post-Shop GmbH zwingt ihre � im Übrigen geringfügig � Beschäftigten per Arbeitsvertrag, auf Verlangen des Arbeitgebers ihren Arzt bei mehr als zweiwöchiger Krankheit von der Schweigepflicht zu entbinden. Das ehemailge Staatsunternehmen behauptet in einem Schreiben, dass diese in vielen Tarifverträgen zu finden seien. »Gleichlautende Formulierungen finden sich z.B. in §7 Bundes-Angestelltentarifvertrag«, erklärt die Post wahrheitswidrig. Dass dies auch Monika Wulf-Matthies von der Post AG behauptet, entbehrt dabei nicht einer gewissen Komik: Als ehemalige ÖTV-Vorsitzende sollte sie sich mit dem BAT auskennen.
Besonders viel Applaus bekamen der Gewinner des Life-Time-Awards, die GEZ, und die USA, die in der Kategorie Behörde ausgezeichnet wurden. Denn die zwingen Fluggesellschaften, die in das Land fliegen, die Daten ihrer Passagiere nach dem Abflug zu übermitteln. Vierzig verschiedene Daten werden dann automatisch analysiert und 15 Jahre lang gespeichert. Wer im Bordessen kein Schweinefleisch möchte, könnte da schon verdächtig werden. Die Lufthansa ermöglicht den US-Behörden gleich den Zugriff auf ihr Buchungssystem AMADEUS, wo die Daten aller Lufthansa Passagiere abgerufen werden können. Die US-Regierung verspricht aber, nur auf die von Reisenden in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten zuzugreifen, großes Indianerehrenwort.
Genauso ehrlich verspricht auch die Metro AG, den »Modernisierungs- und Innovationsprozess im Handel zum Nutzen der Kunden voranzutreiben.« Der Handelskonzern erhielt den Preis in der Kategorie »Verbraucher« für seinen Future Store in Rheinberg. Dort sind alle Produkte mit der so genannten RFID-Technik ausgestattet, die auf Chips gespeicherten Informationen können berührungsfrei ausgelesen und auf ein Display am Einkaufswagen übertragen werden. Dort kann der Kunde auch seine persönliche Standardeinkaufsliste ablesen, nachdem ihn das Wägelchen an seiner Kundenkarte � oder Loyalty Card - erkannt hat. »Eine Verknüpfung zwischen der RFID-Technologie und persönlichen Kundendaten ist nicht gegeben und auch technisch gar nicht möglich«, beruhigt Metro Datenschützer. Laudatorin Rena Tangens entwickelte allerdings ein ganz anderes Szenario. Sie glaubt, dass zukünftig nachvollzogen werden kann, wer sich auf der Straße illegal der Verpackung eines Schokoriegels entledigt hat. Davon konnte George Orwells Big Brother nur träumen.
Info: Die vollständigen Laudationes sind nachzulesen unter
www.big-brother-award.de