Claudia Koppert, Beate Selders (Hg.), Hand aufs dekonstruierte Herz (Teil 2)
Zu einer gänzlich anderen Einschätzung kommen Patricia Purtschert und Maja Ruef in ihrem Briefwechsel über die Entwicklung des Feminismus in den neunziger Jahren. Die Frauenbewegung ihrer Mütter und die erreichten Ziele können sie nur kritisch bewerten: Gemessen an den einstigen politischen großen Ziele erschienen die real gelebten Lebensentwürfe der Vorkämpferinnen widersprüchlich und zwiespältig. Als junge Feministinnen der heutigen Gesellschaft fänden sie kaum Bezüge und keine Verortung im Angebotenem, Tradierten. Zudem nerve sie der stets unterschwellige Vorwurf, die junge Generation habe keinen Kampfgeist. Angesichts der komplexen und widersprüchlichen gesellschaftlichen Verhältnisse begreifen Purtschert und Ruef dekonstruktivistische Theorien als adäquates und notwendiges Rüstzeug, als Bereicherung und auch als Angebot, Streit und Konflikt als positive Triebkräfte zu verstehen. Die Abkehr von "revolutionären Umsturzphantasien" ermögliche netzwerkartige Strukturen der feministischen Bewegung. "Feministische Politik lässt sich kaum mehr als gemeinsames Programm formulieren; sie besteht vielmehr aus punktuellen Interventionen. Flexible und kontextabhängige Strategien wie das Gender-Mainstreaming tragen diesen Veränderungen Rechnung."
Spätestens seit Judith Butler sehen dekonstruktivistische Feministinnen in der Parodie gern eine gesellschaftsverändernde Strategie: Durch "das subversive Zitieren" von Geschlechtercodes gelänge es, gängige Vorstellungen zu unterlaufen und ihre Bedeutungen zu verschieben. Selders hinterfragt diese Wirkung der Parodie, da diese sich immerhin noch an der Norm orientiere und diese somit bestätige - ein weiterer unlösbarer Konfliktpunkt im Streit zwischen den Generationen? Immerhin, die Hoffnung auf eine neue feministische Visionen, unter der ältere und jüngere klingt an, wenn Purtschert resümiert: "Vielleicht steht eine (post)marxistische Wende des Feminismus an: eine kapitalismuskritische, dekonstruktive, offene und zugleich verbindliche Analyse, welche sich der Verschränkung von Geschlecht, globaler Ungleichheit und Kapital annimmt."
Ein anregender Sammelband, der Interesse an feministischen Positionen weckt und Lust auf eine weitergehende Auseinandersetzung vermittelt. (rk)
Claudia Koppert, Beate Selders (Hg.), Hand aufs dekonstruierte Herz, Ulrike Helmer Verlag, Königstein, 2003, ca.12,95 Euro
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