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Lob der Verzweiflung (03.12.2003)



Harald Hahn
Harald Hahn (links): In Bielefeld spielen ist schon etwas Besonderes




Am Freitag und Samstag tritt Harald Hahn zusammen mit David Fuhr im Café Parlando mit seinem Programm »Lob der Verzweiflung« auf. Harald Hahn lebte zehn Jahre in Bielefeld, bevor er sich nach Berlin in die große weite Welt aufmachte. Dort lebt er als freier Theatermacher. Das aktuelle Programm bietet einen szenischen Liederabend mit Gedichten von Theodor Kramer. Der 1958 verstorbene Schriftsteller musste vor den Nationalsozialisten aus Wien flüchten, als Jude war er existenziell bedroht. In der Folge lebte er im Exil in England, erst ein Jahr von seinem Tod kehrte er nach Wien zurück.


Interview: Manfred Horn

Wie ist Kramer politisch einzuordnen?

Kramer war immer zwischen den Stühlen. Den Sozialdemokraten war es zu sozialistisch und den Kommunisten war er zu sozialdemokratisch. Kramer hat immer einen Blick auf die Menschen gehabt, die unten standen.


Was ist das Besondere an Kramer?

Er ist ein vergessener Dichter, den nicht so viele kennen. Er hat aber viele Leute beeinflußt, zum Beispiel Erich Fried. Theodor Kramer musste ja ins Exil nach England, dort war er befreundet mit Erich Fried. Der wurde sehr stark von Kramer beeinflusst. Fried hat dann, wie auch Kramer, ein Gedicht ›Lob der Verzweifelung‹ geschrieben. So heißt ja auch unser Programm in Anlehnung an das Kramer-Gedicht. Wir schließen unser Programm auch mit dem Fried-Gedicht ›Lob der Verzweiflung‹. Und: Kramer hat Gedichte geschrieben, die nachwievor aktuell sind. Weil er Fragen von Arbeit und des Stellenwerts von Arbeit stellt. Kramer hat jedoch über 12.000 Gedichte geschrieben. Wir haben nur einen ganz kleinen Teil davon herausgesucht und unser Programm eingegrenzt mit den Themen Verfolgung, Widerstand, Exil. Und das pralle Leben, weil wir im Programm noch ein anderes Element wollten. So haben wir beispielsweise keine Liebesgedichte von Kramer vertont.


Wie kann man sich die Umsetzung von Gedichten in Musik vorstellen?

Ganz einfach: Wir haben zu den Texten Musik gemacht. Wir singen die Gedichte. Wobei die Gedichte so geschrieben, sei es vom Versmaß oder auch von der Ästhetik her, dass sie einen anregen, sie zu singen. Wir haben eigenständig komponiert. Wir wurden im vergangenen Jahr auf die Burg Waldeck zum Theodor-Kramer-Festival eingeladen. Dort gab es einige Gruppen, die auch Kramer-Gedichte vertont haben, zum Teil haben die anderen ähnliche Gedichte herausgesucht wie wir. Ich denke, das ist kein Zufall: Es sind die Gedichte, die besonders ansprechen. Wir machen aber nicht nur ein Gedichtsliederabend, sondern wir haben auch mit Theaterelementen gearbeitet, um das Leben von Kramer auf die Bühne zu bringen. In den Lebensabschnitten, die wir spielen, sind dann diese Gedichte eingebettet.


Ist es etwas Besonderes für Sie, in Bielefeld aufzutreten?

Es ist schon etwas Besonderes. Ich bin verbunden mit der Stadt. Es hinterlässt Spuren, wenn man in einer Stadt zehn Jahre gelebt hat. Es gibt in Bielefeld ein offenes Publikum für ein solches Programm. Wir spielen im Café Parlando, da habe ich bereits ein anderes Programm gespielt. Auch der Veranstaltungsort hat für mich so eine besondere Bedeutung, weil da eine gemeinsame Geschichte ist.



Freitag 5. 12. und Samstag 6.12., jeweils 20 Uhr, Café Parlando, Wittekindstraße. Eintritt: 9 Euro