Webwecker Bielefeld: Zeugen02

Eric Friedler, Barbara Siebert, Andreas Kilian, Zeugen aus der Todeszone. Das jüdische Sonderkommando in Auschwitz (Teil 2)



Das Sonderkommando war vom übrigen Lager isoliert und konnte wenig tun, diese Behauptungen, die sich teilweise bis heute halten, zu entkräften. Die Häftlinge des Sonderkommandos lebten unter extremen existentiellem Druck, einige verloren den Willen zu überleben und starben, andere brachten sich um. Die meisten von ihnen hatten alle Hoffnung aufgegeben, viele wussten, dass sie die letzten Überlebenden ihrer Familien waren, hatten sie doch ihre Angehörigen aus der Gaskammer holen müssen. Anderen jedoch gelang es, den Willen zu überleben aufrechtzuerhalten, sei es durch das Gefühl der Verpflichtung gegenüber den Toten, Zeugnis ablegen zu müssen oder durch fatalistische Abstumpfung gegenüber ihrer Tätigkeit. Gefühle wie Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit, Trauer, Panik mussten unterdrückt werden.

Diese Gleichgültigkeit oder Apathie verhinderte freundschaftliche Kontakte unter den Häftlingen. Henryk Mandelbaum, einer der wenigen Überlebenden des Sonderkommandos: „Ob es so etwas wie Freundschaft oder Kameradschaft gab? Jeder hatte mit sich selbst zu tun. Jeder war krank und wollte diese Krankheit nicht an die Oberfläche dringen lassen. Und wir wussten ja alle von diesen Krankheiten – also worüber hätten wir miteinander sprechen können?“

Ins Sonderkommando zwang die SS Juden aus unterschiedlichen Transporten, die keine gemeinsamen Bezüge hatten, ein weiteres Hindernis für die Entwicklung von Zusammenhalt. Dennoch entstanden kleine Untergruppen, gebildet nach Nationalität oder gemeinsamer Sprache. Gerade den Neuankömmlingen im Sonderkommando boten diese Gruppen Orientierung im Zustand des ersten Schocks und Entsetzens angesichts des Vernichtung, sie boten Schutz und menschliche Anteilnahme, soweit dies unter den Bedingungen möglich war. Allerdings griff der Terror des SS solche solidarischen Kontakte immer wieder an: Fluchtversuche, selbst ein individueller Selbstmord konnte Bestrafungsaktionen, wie z.B. Erschießungen, für die gesamte Gruppe der Häftlinge im Sonderkommando nach sich ziehen. Angesichts dieser Situation ist es umso bemerkenswerter, dass einige Häftlinge die Kraft fanden, an Widerstand zu denken und versuchten diesen umzusetzen, obwohl sie wussten, dass sie dabei wahrscheinlich sterben würden.

Die gemeinsamen Planungen mit anderen Häftlingen, der Kontakt zur Widerstandsbewegung im Lager, die Hoffnung auf Rache stärkte ihren Willen zu leben.