Webwecker Bielefeld: Ruegemer-Interview03

Kritik an Cross-Border-Leasing (Teil 3)



Da gibt es den Fall Aachen, wo man über ein Jahr lang verhandelt hat und dann zurückgetreten ist. Es ging da interessanterweise um die Müllverbrennungsanlage. Erst sehr spät haben sie dort erkannt, dass die Müllmenge in den 30 Jahren Vertragslaufzeit völlig unkalkulierbar ist und wenn überhaupt, dann eher sinkt. Weil die Vorverhandlungen schon so weit fortgeschritten waren, musste die Stadt Aachen acht Millionen Euro für Berater, Rechtsanwälte und Arrangeure bezahlen. Spektakulär war der Fall in Frankfurt, wo jetzt auf Grund öffentlicher Auseinandersetzungen eine Fraktion, nämlich die Grünen, gesagt haben: Das machen wir nicht mehr, obwohl sie vorher im Rat dafür waren. Dadurch hat die Sache jetzt keine Mehrheit mehr.


Ist denn CBL ihrer Sicht nach überhaupt legal?

Von den Befürwortern wird behauptet, in den USA sei alles legal. Dies ist aber nur sehr eingeschränkt so. Nach dem Geist des Steuergesetzes in den USA ist CBL nämlich nicht legal. Aber: Es gibt in den USA, insbesondere seit der Deregulierung der 1990er Jahre, die Besonderheit, dass die Formen der fiktiven Kapitalbildung durch die Wirtschaftsprüfer und die großen Anwaltskanzleien sehr stark weiter entwickelt wurden, Stichwort ›kreative Buchführung‹, beispielsweise mit der Legalisierung von Briefkastenfirmen in Steueroasen und mit der gleichzeitigen Bilanzierung desselben Eigentums durch zwei Eigentümer wie bei Cross Border Leasing.

Innerhalb der USA gibt es zudem die Möglichkeit, das Bundesrecht durch einzelstaatliche Regelungen zu unterlaufen. Bisher ist es so, dass 90 Prozent aller us-amerikanischen Geschäftspartner bei CBL-Geschäften ihren Sitz im US-Bundesstaat Delaware. Dieser Bundesstaat ist in den USA das, was Lichtenstein in Europa ist. Delaware hat ein Unternehmensrecht, das dem von Lichtenstein entspricht. Ein Trust nach dem Recht von Delaware hat keine Publizitätspflicht; die Teilhaber werden nicht veröffentlicht, sondern nur beim Treuhänder im Tresor festgehalten und so weiter. Und dann kommt noch hinzu, dass Wirtschaftsprüfer und Anwaltskanzleien eine starke Stellung im us-amerikanischen Steuerrecht haben. Es gibt das Instrument des „opinion letter“, das heißt, wenn eine große Anwaltskanzlei in den USA dem Finanzamt und der obersten Steuerbehörde IRS bestätigt, diese CBL-Konstruktion sei rechtskonform, dann gilt das erst mal als Unbedenklichkeitsbescheinigung. Das ist eine Macht der Branche, die in Deutschland und Europa unbekannt ist. Die Arrangeure und deren us-amerikanische Partner haben die Gestaltung des Rechts selbst in der Hand. Insofern kann man sagen, dass die Behauptung, alles sei legal, so einfach nicht ist. Die Republikanische Partei befürwortet seit Reagan solche Konstruktionen und hat sie auch gesetzlich vorangetrieben. Unter einer Bush-Regierung, das wird auch in der Fachpresse der Branche offen ausgesprochen, hat man nichts zu befürchten. Cross Border Leasing wird olitisch gedeckt.

Auf der anderen Seite: Nach deutschem Recht ist es keinesfalls legal, weil es diese Regelung und Möglichkeit der fiktiven Kapitalbildung, beispielsweise, dass das gleiche Wirtschaftsgut von zwei Eigentümern bilanziert wird, nur in den USA gibt. In Deutschland ist das nur möglich, wenn man sich ganz dem us-amerikanischen Recht unterwirft. Und das wirft aber weitere Fragen auf: Mindestens zehn Rechtsbestimmungen in Deutschland wie Gemeindeordnung, Bürgerliches Gesetzbuch, Zivilprozeßoprdnung usw. werden umgangen. Z.B. auch die Vorschrift, Fördermittel zurückzuzahlen, wenn kommunales Eigentum verkauft wird, was hier nicht gemacht wird. Der Gerichtsort muß immer am Ort der Immobilie sein, ist hier aber immer in New York. Amtssprache ist deutsch, aber die Verträge gibt es nur in englisch usw. Das alles widerspricht deutschem Recht, aber das globale Gegenargument lautet: Es funktioniert ja sowieso nicht nach deutschem, sondern amerikanischem Recht.