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»Gestalten statt verwalten« (Diskussion ein Jahr nach der PISA-Studie, 26.02.2003)





Moderator Otto Herz, Klaus-Jürgen Tillmann, Leiter der Laborschule und Sylvia Löhrmann, schulpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag: Bewegt im Zeichen der Veränderung





Von Manfred Horn

Ein gutes Jahr nach Pisa riefen die Bielefelder Grünen am Dienstag in die ›Alte Hechelei‹, um zu diskutieren, wie Schule verändert werden kann. Die sechs ExpertInnen auf dem Podium und die circa 100 TeilnehmerInnen im Saal waren sich dabei einig, dass Schule verändert werden muss. Die berühmt-berüchtigte Pisa-Studie hatte aufgezeigt, dass im deutschen Schulsystem im internationalen Vergleich Mängel existieren. Seitdem ist ein offene Debatte entfacht worden. Stephan Godejohan, der die LehrerInnen auf dem Podium repräsentierte, stellte dann auch fest, dass die Zeit für Reformen günstig sei, so günstig wie vielleicht seit 30 Jahren nicht mehr: »Wir müssen den Rückenwind nutzen«.

Bei der Debatte über das Wie der Veränderung von Schule gab es auf dem Podium zwar eine gemeinsame Richtung, aber auch Differenzen. Die politischen Maßnahmen der rot-grünen Landesregierung wurden im Saal teilweise als Aktionismus, teilweise als nur halb volles Wasserglas, zum Teil aber auch als Fundament für weitere Schritte begriffen. Einig war man sich, dass die begonnenen Reformen erst ein erster Schritt sind und noch ein langer, steiniger Weg vor der Lehrerzunft liegt.

Klaus Jürgen Tillmann, wissenschaftlicher Leiter der Bielefelder Laborschule, war in der komfortablen Lage, mit relativ positiven Pisa-Ergebnissen über seine Schule berichten zu können. Damit ist die Schule, die lange Zeit für viele als suspekter Ort galt, an dem vieles nett war, aber wenig gelernt wurde, plötzlich wieder interessant als Vorbild für andere Schulen. Die Laborschule zeichnet sich durch die Möglichkeit einer früheren Einschulung ab dem fünften Lebensjahr, altersgemischte Klassen und Notenfreiheit bis zur neunten Klasse aus. Auf Frontalunterricht werde verzichtet, Tillmann sprach stattdessen von »Helfersystemen«. In der Laborschule würden Kinder mit unterschiedlichen Fähigkeiten zusammengebracht: »Kinder, die unter anderen Umständen in Schulen für Lernbehinderte wären, sind zusammen mit zukünftigen Spitzenabiturienten«. Inga Fehlhölter, die als Repräsentantin der Schülerinnen auf dem Podium saß, konnte dies bestätigen. Sie besuchte in ihrer Schulbiographie sowie eine Waldorfschule, die Laborschule und schließlich ein Gymnasium. Fehlhölter nannte das Beispiel des Englisch-Unterrichts: Während in der Laborschule alle Schülerinnen etwas sagten, sei es auf dem Gymnasium nur die Hälfte. Die andere Hälfte würde denken, sie wären zu schlecht und trauten sich nicht, etwas zu sagen. In der Laborschule hingegen würden die unterschiedlichen Fähigkeiten akzeptiert und es würde versucht, jeweils das beste daraus zu machen. Tillmann betonte, die Laborschule könne mit den fachlichen Leistungen im Regelschulsystem mithalten. Die Pisa-Studie habe jedoch auch auf Schwächen hingewiesen: im Bereich Mathematik und Jungenförderung. Laut Pisa-Studie sind die Mädchen der Laborschule besser als ihre geschlechtlichen Altersgenossen.