Webwecker Bielefeld: Dylan

Bob Dylan mal sechs



»I'm Not There«

Von Harald Manninga

Er ist wirklich nicht da – Bob Dylan persönlich kommt in diesem Film nicht vor. Trotzdem zeigt I’m Not There so etwas wie eine Art Lebensgeschichte Dylans, die in sechs verschiedenen… Ja, wie nennt man das jetzt? Inkarnationen? Also eine Lebensgeschichte, die in sechs verschiedenen Inkarnationen Bob Dylans dargestellt wird. Sechs ineinander verschränkte Episodenfilme, die dann ein Gesamtbild ergeben sollen.

Billy the Kid spielt eine Rolle, daneben ein kleiner schwarzer Junge, der sich Woody Guthrie nennt und mit der Gitarre durchs Land reist, ein Schauspieler, dem das Familienleben entgleitet, ein 60er-Jahre-Protestsänger, der Pfarrer wird und fortan Musik für Teufelszeug hält, ein anderer 60er-Jahre-Protestsänger, der an seiner eigenen Exzentrik zu zerbrechen droht – und zudem noch von einer Frau dargestellt wird, von Cate Blanchett nämlich.

Wenn vielleicht also an diesem Film nichts »real« ist, stimmen dürfte immerhin, dass er »inspired by the many lives of Bob Dylan« ist, wie es im Vorspann heißt. Und so hat man also hier nicht einfach noch eins dieser Musiker-Biopics zu erwarten, wie sie gerade in Mode sind: die Filme über Johnny Cash, Ray Charles, zuletzt La vie en rose über die Piaf sind ja noch im Gedächtnis. Nicht zu vergessen Scorseses Dylan-Doku No Direction Home.

Ganz so leicht macht es Regisseur und Autor Todd Haynes dem Zuschauer aber nicht, auch wenn sich Musik-Puristen schon ziemlich über den Film »aufregen«. Die wollte Haynes nämlich offensichtlich gar nicht bedienen. Stattdessen bietet er eine manchmal wirr, manchmal wild scheinende, oft verstörende aber immer wie gestochen zusammengesetzte Kollage aus Geschichten, Bildern und Person(en) die ein vielleicht manchmal schwer verständliches, dafür aber unbedingt sehenswertes Stück Filmkunst ergibt. Denn verstehen muss man das wohl nicht unbedingt, um von der ungewöhnlichen Kraft dieses Films mitgesogen zu werden. Ebenso ist es wahrscheinlich nicht nötig, vorher schon möglichst viel über Bob Dylan zu wissen. Im Gegenteil, das könnte möglicherweise sogar stören: Wahrheit wird durch Realität manchmal zu sehr gebrochen, als dass sie ihre Wirkung bewahren könnte.

Und auch ohne den Schatten Bob Dylans im Hintergrund, den die meisten Kinogänger ohnehin nicht haben werden, ist dieser Film eine höchst bemerkenswerte Arbeit. Das beginnt bei den Darstellern. Von denen die ungewöhnlichste Besetzung sicherlich Kate Blanchett in der Rolle des »Jude Quinn« ist (übrigens die einzige persona, die Dylan auch äußerlich ähnlich sieht). Ungewöhnlich allein schon im Vergleich zu jener anderen Rolle, mit der Frau Blanchett kürzlich in den Kinos war, als Elisabeth I. von England. Ähnlich herausragend ist der kleine Marcus Carl Franklin als »Woody Guthrie«, eine Rolle für die er auch gleich den neugeschaffenen Robert Altman Award der Independent Spirit Awards erhielt. (Blanchett bekam für ihren »Quinn« übrigens letztes Jahr beim Festival in Venedig die Coppa Volpi als beste Darstellerin und wurde für ihren »Quinn« und ihre »Elisabeth« für den Oscar nominiert.)

Besondere Aufmerksamkeit verdient allerdings die Kameraführung von Edward Lachman. Lachman ist seit langem für seine originellen Sichtweisen auf das Abzulichtende bekannt, hat dafür auch schon jede Menge Preise bekommen (außer dem Oscar, für den er aber immerhin schon nominiert war), mit jeder Menge maßgeblicher Regisseure gearbeitet, von Werner Herzog über Wim Wenders zu Sofia Coppola, Bogdanovich, Soderbergh… – eine Berühmtheit unter den Kameraleuten. Dieser Film wird seinen Ruhm nur mehren können, denn Lachman übertrifft sich hier wieder einmal selbst.

Dass zudem in einem Film, der zumindest nominell von Bob Dylan handelt, auch Musik vorkommt, dürfte sich von selbst verstehen, darum sei das hier nur am Rande angemerkt; nicht dass noch jemand denkt, hier fehlt doch jetzt was