Von Harald Manninga
Der Jungeselle Muharrem (Erkan Can) arbeitet als
Lagerverwalter. Er ist ein streng gläubiger Moslem, hat ein gutes Herz und ein
schlichtes Gemüt das empfiehlt ihn für einen weiteren Job: Weil weise und
gelehrte religiöse Männer sich nicht mit Geldgeschäften abgeben dürfen, soll er
für ein Derwisch-Kloster die Mieten für die Immobilien, die dem Orden gehören,
kassieren gehen.
Diese Aufgabe bedeutet eine große Ehre für Muharrem, der er
sich eigentlich nicht gewachsen fühlt. Sie führt ihn außerdem aus seiner
behüteten kleinen Welt zwischen Lagerhalle, Wohnung und Moschee in die Welt
außerhalb dieser engen Grenzen. Und dort zeigt es sich, dass sein schlichtes
Gemüt, das der »edle Meister« des Klosters noch als Geschenk Gottes bezeichnet
hat, vielleicht eher ein Fluch ist. Muharrem findet sich nämlich in seiner
neuen Rolle und der neuen Welt, zu der er Zugang bekommt, tatsächlich nur
schwer zurecht.
Der Film, eine deutsch-türkische Ko-Produktion, für unter
anderem Fatih Akin verantwortlich zeichnet, von Özer Kizitan ist schon mit
vielen Preisen bedacht worden; unter anderem erhielt er bei der Berlinale den
Preis der Internationalen Filmkritik, neun Auszeichnungen beim Filmfestival in
Antalya, die Türkei schickt ihn ins Rennen um den nächsten Oscar. Davon gäbe es
noch mehr zu berichten.
Alles zu Recht. Denn der Film ist wirklich erstaunlich.
Schön langsam und gemächlich, wie es der Figur des Muharrem angemessen ist,
wird die Geschichte entfaltet. Dabei ist der Film nie langweilig, sondern
findet genau das Tempo, das auch der (im Zweifelsfall ja nicht-türkische,
nicht-muslimische) Zuschauer benötigt, um alles wirklich zu verstehen, was mit,
in und um Muharrem vorgeht.
Besondere Bemerkung verdient der Darsteller des Muharrem,
Erkan Can. Der für diese Rolle in Antalya die Auszeichnung als bester
Schauspieler bekam. Sehr behutsam, dafür aber nur umso eindringlicher führt Can
die zerbrechliche Seele des Muharrem ans Tageslicht einer brutalen Welt aus
Geld, Gier und Sünde, die nur aus Widersprüchen zu bestehen scheint. So sehr,
dass Muharrem auch die heilige Welt des Klosters bald wie eine Scheinwelt
vorkommt, in der möglicherweise nichts so ist, wie es sich ihm bisher
darstellte. So dass alles in einem stummen Schrei der Verzweiflung endet.