Webwecker Bielefeld: Als würde die Show weitergehen

Als würde die Show weitergehen



Von Harald Manninga

Der deutsche Verleihtitel ist zwar eine ziemliche Dämlichkeit, aber das ist dann auch schon das einzige, das man an dieser grandiosen Komödie, Tragödie, Burleske, Dokumentation, Hommage an das Radio – kurz: an diesem Film auszusetzen haben könnte. Mit seiner letzten Regiearbeit (er starb im letzten November) hat Robert Altman seinem Ruf, einer der frechsten, witzigsten, gewitztesten, verschmitztesten Regisseure Hollywoods zu sein, eine echte Krone aufgesetzt.

Im Original heißt der Film A Prairie Home Companion, und man wird es dem Verleih nachsehen müssen, dass er diesen Titel nicht benutzen konnte: Den hätte anderswo als in den USA niemand verstanden. Dort kennt ihn aber jedes Kind, es handelt sich dabei nämlich um den Titel einer regelmäßigen Radiosendung, die dort im ganzen Land bekannt ist. Moderator dieser Sendung, die seit 1974 vor und mit Publikum aus einem Theater live ausgestrahlt wird (wie es bis ca. in die 50er Jahre für große Radio-Shows in den USA üblich war), ist Garrison Keiller.

Keiller, der im Nebenberuf auch Bestsellerautor ist (z.B. Lake Wobegon Days), schrieb das Drehbuch zu diesem turbulenten, fast screwball-artigen Streifen und hat dabei anscheinend seine eigene Geschichte (er spielt selbst auch die Hauptrolle des »GK«, der sich als Moderator durch die Sendung, die man im Film sieht, durchstümpert, -improvisiert, -faselt und -singt) als Präsentator dieser Sendung quasi aufgearbeitet und in eine hinreißende Fantasiestory gegossen:

Die legendäre Sendung soll »abgewickelt« werden, inszeniert wird die letzte Ausstrahlung (daher das »last« im – naja: deutschen Titel), die aber doch aussieht und sich anhört wie jede andere davor. Musiker treten vorne auf, während hinter der Bühne Chaos herrscht, in der Garderobe sich die Künstler über Privates unterhalten, ein abgehalfterter Privatdetektiv sich in Bogart-Pose als »Sicherheitsbeauftragter« wichtig macht, Inspizient Al sich die Haare rauft und Assistentin Molly die Fäden doch irgendwie in der Hand behält, auch wenn sie nicht immer die richtigen Zettel findet. Alles das in Erwartung des »Axeman«, der nach Ende der Show anfangen wird, das Theater abzureißen, um aus dem Gelände einen Parkplatz zu machen, während im Keller doch eine Leiche liegt.

An diesem Film ist eigentlich alles herausragend, angefangen bei einer schier unglaublichen Ansammlung von Stars (Meryll Streep, Lily Tomlin, Kevin Kline, Tommy Lee Jones, dazu die junge Lindsay Lohan, die neben den »Alten« eine großartige Figur macht...), die alle sichtlich einen Riesenspaß beim Drehen hatten, über die Musiker (die man hier aber kaum kennt) und die Livemusik, die fast immer auch als Kommentar zu den Spielszenen fungiert, bis hin eben zu Regie und Buch, die besser wohl nicht hätten übereinkommen können. Nicht zu vergessen die Kameraarbeit des großen Eward Lachman, der z.B. Erin Brocovich von Steven Soderbergh abgelichtet hat und hier alles in eine warme 50er-Jahre-Atmosphäre taucht, die mit ihren Licht- und Farbtönen wie ein weiterer augenzwinkernder Kommentar auf das Geschehen wirkt.

Seit 12. April läuft Robert Altman’s Last Radio Show (USA 2006, 103 Min.) in – leider allzuwenigen – deutschen Kinos. Eines davon ist die Bielefelder Kamera. Darf man sich nicht entgehen lassen. Echt nicht.