Webwecker Bielefeld: Bummm

Familie ist schön, macht aber viel Arbeit



»Das wahre Leben«

Von Harald Manninga

Bei seiner Premiere auf den Internationalen Hofer Filmtagen im letzten Herbst trug der neue Film des Schweizers Alain Gsponer noch den Arbeitstitel Bummm! Außer dem Titel hat sich aber nicht viel geändert: Immer noch spielen Katja Riemann, Ulrich Noethen und Hannah Herzsprung die tragenden Rollen, und immer noch ist dieser Film eine schauerlich-komische Burleske über – naja: eben das »wahre Leben«.

Sybille (Katja Riemann) ist Hausfrau und führt außerdem eine leidlich erfolgreiche Kunstgalerie. Ihr Mann Roland (Ulrich Noethen) arbeitet 14 bis 16 Stunden pro Tag als hochbezahlter Risikomanager in einer großen Firma und weiß so gut wie nichts von dem, was in seiner Familie so vor sich geht. Sohn Linus (köstlich gespielt von Josef Mattes) experimentiert nämlich z.B. mit ferngesteuerten Bomben und sprengt in der Nachbarschaft Gartenzwerge, Briefkästen und Statuen in die Luft. Der ältere Sohn Charles dagegen muss grad zum Bund und entdeckt dabei, dass er wohl schwul ist. Familienvater Roland verliert quasi von heute auf morgen seinen Job und nistet sich als Neuauflage eines »Pappa ante portas« im bisher gemütlichen Familienleben ein.

So weit, so normal. Bis die neuen Nachbarn einziehen, die die recht durchgeknallt pubertierende Tochter Florina mitbringen (Hannah Herzsprung in ihrer zweiten großen Kinorolle dieses Jahres). Florina freundet sich erstmal mit dem Bombenleger Linus an und ballert fröhlich mit ihm herum, wird dann aber von Sybille als begabte Malerin entdeckt und bekommt eine Ausstellung ihrer Werke aufgezwungen.

Großartig anzuschaun ist auch hier wieder die junge Hannah Herzsprung. Nach Vier Minuten (seit 1. Februar in den Kinos), wo sie mit Monica Bleibtreu zusammen spielt, ist ihre Vorstellung in Das wahre Leben nachgerade erstaunlich, was den Kontrast und die spielerische Bandbreite im Vergleich zu Vier Minuten angeht: Diese junge Frau kann offenbar alles, was man Schauspielern im Kinofilm abverlangen darf, und es ist sehr zu wünschen, dass man sie das auch weiterhin zeigen lässt.

Erste Anerkennung hat Hannah Herzsprung schon bekommen: Am 19. Januar erhielt sie in München den Bayerischen Filmpreis (»Pierrot«) als beste Newcomerin für ihre Rolle in Vier Minuten. (Weitere Preisträger waren für diesen Film Monica Bleibtreu als beste Darstellerin und Regisseur und Autor Chris Kraus für das beste Drehbuch).

Zu Katja Riemann und Ulrich Noethen muss man nicht viel sagen, von denen weiß man aus vielen Rollen, dass sie ungefähr alles können. Wobei Katja Riemann hier doch nochmal besonderes Lob gebührt, denn sie hat bisher die trocken-zynische Grundhaltung, die man von ihr aus anderen Rollen kennt, selten derart genüsslich ausspielen können. Und die dunklen Haare stehen ihr wirklich gut!

Ihnen allen sei gewünscht, dass es so weitergeht mit ihren Filmkarrieren. Und den Zuschauern auch. Vor allem aber Hannah Herzsprung, die mit ziemlicher Sicherheit die deutsche Kinoentdeckung des Jahres ist.