Am vergangenen Freitag ging es in der Fachhochschule noch einmal um das
»Hochschulfreiheitsgesetz«. Bei einer Podiumsdiskussion wogen ein Vertreter der
Fachhochschule, der AStA-Vorsitzende und zwei der dafür Verantwortlichen
Chancen und Risiken des Gesetzes ab, das am 1. Januar in Kraft tritt. Nach
Meinung seiner Macher bringt es den Hochschulen die ersehnte Freiheit. Kritiker
hingegen befürchten, dass der Einfluss des Staates nur zu Gunsten der Wirtschaft
verringert wird.
Von Mario A.
Sarcletti
Da war er wieder: Manni, der Maulwurf, der bei der
»Frostschrei«-Demonstration gegen soziale Kälte vor zwei Wochen das Licht der
Welt erblickt hatte (WebWecker berichtete). Doch während das Tier passend
ausgestattet mit zwei gelben Binden mit schwarzen Punkten -, das nach Angaben
seiner Schöpfer für den Weitblick der Bildungspolitik der schwarz-gelben
Landesregierung steht, Anfang Dezember noch Studierende zum Protest antrieb,
war es am vergangenen Freitag recht zahm. Der AStA-Vorsitzende der
Fachhochschule, Guido Niemeyer, nahm sogar nach einiger Zeit seine Maske ab und
diskutierte recht friedlich mit dem politischen Gegner. Anlass des erneuten
Auftritts von Manni war eine Diskussionsveranstaltung der Fachhochschule.
Die war insgesamt eher konsensual angelegt. »Es kann heute nicht darum
gehen, ob das ein gutes oder schlechtes Gesetz ist«, gab die Rektorin der
Fachhochschule, Beate Rennen-Allhoff, gleich in ihrer Begrüßung in der
Fachhochschule für Design die Richtung vor. Sozusagen vorurteilsfrei sollten
die Anwesenden in der Lampingstraße am vergangenen Freitag »Chancen und
Risiken« des neuen Hochschulgesetzes NRW einschätzen, für das sich seine Macher
rund um Minister Andreas Pinkwart auch den Titel Hochschulfreiheitsgesetz
ausgedacht haben.
Die Rektorin scheint sich mit einem Gesetz abgefunden zu haben, das
während des Gesetzgebungsprozesses von Studierendenvertretungen, Personalräten
und Hochschulleitungen noch heftig kritisiert wurde. Tatsächlich wurde es in
dem Prozess noch an einigen Punkten verändert. So fiel die Insolvenzfähigkeit
weg, das Recht der Hochschulen Pleite zu gehen. Ob der »Staatskommissar«, der
an die Stelle der Freiheit zur Pleite getreten ist und bei wirtschaftlicher
Schieflage eingesetzt werden soll, mehr Freiheit bringt, ist umstritten.
Mehr Geld für Hilfskräfte?
Über einen Punkt freut sich Rennen-Allhoff: Da die Hochschulen ab 1.
Januar die Dienstherren ihrer Mitarbeiter sind, haben sie die Möglichkeit, die
Bezahlung ihrer wissenschaftlichen und studentischen Hilfskräfte zu erhöhen.
Eine Maßnahme, die nicht nur nach Meinung der FH-Rektorin schon lange
überfällig ist, der Tarif wurde seit 1993 nicht erhöht. Für Beate
Rennen-Allhoff ist das die einzige Veränderung, die die Mitarbeiter der
Hochschulen nach dem 1. Januar wahrnehmen werden. »Praktisch wird es so sein,
dass der Einzelne am 1.1 gar nichts merken wird«, sagte sie bei der
Veranstaltung. Dass das Gesetz keine Auswirkungen für die Beschäftigten haben
wird glaubt auch Rennen-Allhoff nicht, meint aber: »Die Veränderungen werden
langfristig sein und zu einer stärkeren Ausdifferenzierung der Hochschulen
führen«.
NRW geht voran
Welche Auswirkungen der Umbau der Hochschullandschaft auch auf die der
BRD insgesamt hat, beschrieb der wissenschaftspolitische Sprecher der
CDU-Landtagsfraktion, Michael Brinkmeier. »Andere Bundesländer kucken, was tut
sich in NRW«, beschrieb er, die Tatsache, dass das Hochschulfreiheitsgesetz ein
Versuch ist, den andere Bundesländer mit Argusaugen beobachten und bereits
beginnen nachzuahmen. So hat der Landtag in Erfurt am Freitag ein
Hochschulgesetz verabschiedet, das wie das nordrhein-westfälische Gremien wie
Präsidium oder Hochschulrat vorsieht. Der ist am umstrittensten, auch weil
mindestens die Hälfte seiner Mitglieder von außerhalb der Hochschule kommen
müssen.
»Es wird durch den Hochschulrat erstmals ein nicht mehr an der
Hochschule orientiertes Instrument eingeführt«, befürchtet etwa der Dekan des
Fachbereichs Architektur, Helmut Geistefeldt und fügte hinzu: »Seine Mitglieder
haben nicht nur die Interessen der Hochschule im Blick«. Die Angehörigen der
Hochschulen wiederum hätten nur noch sehr wenige Möglichkeiten,
Fehlentwicklungen abzustellen. Guido Niemeyer äußerte eine Befürchtung, die
viele Kritiker des Gesetzes angesichts der externen Besetzung des Gremiums
haben, nämlich dass Unternehmen immer mehr an Einfluss auf die Hochschulen
gewinnen und sie nach ihren Wünschen zurichten würden.
Offenbar sieht selbst Christian Lindner, Wissenschaftspolitischer
Sprecher der FDP, diese Gefahr: »Ich warne davor, nur Unternehmer in den
Hochschulrat zu berufen«, sagte er bei der Diskussion. Die Gefahr einer
Entdemokratisierung der Hochschulen sieht Lindner aber nicht: »Die Leitung ist
demokratisch legitimiert, denn der Senat wählt mit«, behauptete Lindner. Das
ist aber nur die halbe Wahrheit, im Gesetz heißt es: »Die Mitglieder des
Hochschulrates werden vom Ministerium für eine Amtszeit von fünf Jahren
bestellt«. Zwar muss der Senat mit Stimmenmehrheit die Liste eines
Auswahlgremiums bestätigen, in dem hat der Senat aber nur zwei von sechs
Stimmen.
Transparenz des Vatikans
Auch ein weiterer Kritikpunkt am Hochschulrat kam bei der Diskussion am
Freitag zur Sprache: Er tagt grundsätzlich nicht-öffentlich. »Wenn eine
Diskussion noch nicht abgeschlossen ist, ist es besser, wenn sie nicht
öffentlich ist«, lautet die Begründung Michael Brinkmeiers für das Prinzip, das
Guido Neimeyer als »die Transparenz des Vatikans« bezeichnete.
Daneben, dass das Gesetz ein weniger an Selbstbestimmung oder gar das
Ende der Gruppenuniversität bringt, in der die jeweiligen Statusgruppen ein
Mitbestimmungsrecht haben, fürchten viele dass die Hochschulen von
Bildungseinrichtungen zu Unternehmen werden. »Sie sind verpflichtet,
unternehmerischer zu denken, auch wenn sie kein Unternehmen sind«, sagte denn
auch Michael Brinkmeier. Dass Hochschulen denn doch auch keine ganz richtigen
Unternehmen werden sollen, betonte auch Beate Rennen-Allhoff: »Unis sollen
jetzt nicht Wirtschaftsunternehmen Konkurrenz machen«, erklärte die
FH-Rektorin. Wäre ja noch schöner, könnte man hinzufügen, wenn neoliberaler
Hochschulumbau der »freien Wirtschaft schaden« würde.
Viele befürchten, dass bei
»unternehmerischem Denken« unrentable Fächer unter die Räder kommen
könnten und nur der an die Hochschulen kommt, der entsprechende Mittel
mitbringt. »Chancengleichheit wird es in diesem System nicht mehr geben«,
meinte auch Manni Maulwurf. Christian Lindner sieht da aber kein Problem. Auf
die Frage der souveränen Moderatorin Claudia Fischer, wo im Hochschulrat das
soziale Gewissen sei, behauptete er: »De facto haben wir in Nordrhein-Westfalen
Chancengleichheit«.
Auch Michael Brinkmeier entlockte Claudia Fischer Erstaunliches: Auf
ihre mehrfache Nachfrage, was das Gesetz der Bildungspolitik bringe, sagte er
wörtlich: »Da sind im Ministerium jetzt einige Leute beschäftigungslos, mal
kucken, wie wir mit denen jetzt umspringen«.