Webwecker Bielefeld: Manni und die Freiheit (20.12.2006)

Manni und die Freiheit (20.12.2006)



Diesmal im Warmen: Manni bei der FH-Diskussion

Am vergangenen Freitag ging es in der Fachhochschule noch einmal um das »Hochschulfreiheitsgesetz«. Bei einer Podiumsdiskussion wogen ein Vertreter der Fachhochschule, der AStA-Vorsitzende und zwei der dafür Verantwortlichen Chancen und Risiken des Gesetzes ab, das am 1. Januar in Kraft tritt. Nach Meinung seiner Macher bringt es den Hochschulen die ersehnte Freiheit. Kritiker hingegen befürchten, dass der Einfluss des Staates nur zu Gunsten der Wirtschaft verringert wird.


Von Mario A. Sarcletti

Da war er wieder: Manni, der Maulwurf, der bei der »Frostschrei«-Demonstration gegen soziale Kälte vor zwei Wochen das Licht der Welt erblickt hatte (WebWecker berichtete). Doch während das Tier– passend ausgestattet mit zwei gelben Binden mit schwarzen Punkten -, das nach Angaben seiner Schöpfer für den Weitblick der Bildungspolitik der schwarz-gelben Landesregierung steht, Anfang Dezember noch Studierende zum Protest antrieb, war es am vergangenen Freitag recht zahm. Der AStA-Vorsitzende der Fachhochschule, Guido Niemeyer, nahm sogar nach einiger Zeit seine Maske ab und diskutierte recht friedlich mit dem politischen Gegner. Anlass des erneuten Auftritts von Manni war eine Diskussionsveranstaltung der Fachhochschule.

 Die war insgesamt eher konsensual angelegt. »Es kann heute nicht darum gehen, ob das ein gutes oder schlechtes Gesetz ist«, gab die Rektorin der Fachhochschule, Beate Rennen-Allhoff, gleich in ihrer Begrüßung in der Fachhochschule für Design die Richtung vor. Sozusagen vorurteilsfrei sollten die Anwesenden in der Lampingstraße am vergangenen Freitag »Chancen und Risiken« des neuen Hochschulgesetzes NRW einschätzen, für das sich seine Macher rund um Minister Andreas Pinkwart auch den Titel Hochschulfreiheitsgesetz ausgedacht haben.

Die Rektorin scheint sich mit einem Gesetz abgefunden zu haben, das während des Gesetzgebungsprozesses von Studierendenvertretungen, Personalräten und Hochschulleitungen noch heftig kritisiert wurde. Tatsächlich wurde es in dem Prozess noch an einigen Punkten verändert. So fiel die Insolvenzfähigkeit weg, das Recht der Hochschulen Pleite zu gehen. Ob der »Staatskommissar«, der an die Stelle der Freiheit zur Pleite getreten ist und bei wirtschaftlicher Schieflage eingesetzt werden soll, mehr Freiheit bringt, ist umstritten.


Mehr Geld für Hilfskräfte?

Über einen Punkt freut sich Rennen-Allhoff: Da die Hochschulen ab 1. Januar die Dienstherren ihrer Mitarbeiter sind, haben sie die Möglichkeit, die Bezahlung ihrer wissenschaftlichen und studentischen Hilfskräfte zu erhöhen. Eine Maßnahme, die nicht nur nach Meinung der FH-Rektorin schon lange überfällig ist, der Tarif wurde seit 1993 nicht erhöht. Für Beate Rennen-Allhoff ist das die einzige Veränderung, die die Mitarbeiter der Hochschulen nach dem 1. Januar wahrnehmen werden. »Praktisch wird es so sein, dass der Einzelne am 1.1 gar nichts merken wird«, sagte sie bei der Veranstaltung. Dass das Gesetz keine Auswirkungen für die Beschäftigten haben wird glaubt auch Rennen-Allhoff nicht, meint aber: »Die Veränderungen werden langfristig sein und zu einer stärkeren Ausdifferenzierung der Hochschulen führen«.


NRW geht voran

Welche Auswirkungen der Umbau der Hochschullandschaft auch auf die der BRD insgesamt hat, beschrieb der wissenschaftspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Michael Brinkmeier. »Andere Bundesländer kucken, was tut sich in NRW«, beschrieb er, die Tatsache, dass das Hochschulfreiheitsgesetz ein Versuch ist, den andere Bundesländer mit Argusaugen beobachten und bereits beginnen nachzuahmen. So hat der Landtag in Erfurt am Freitag ein Hochschulgesetz verabschiedet, das wie das nordrhein-westfälische Gremien wie Präsidium oder Hochschulrat vorsieht. Der ist am umstrittensten, auch weil mindestens die Hälfte seiner Mitglieder von außerhalb der Hochschule kommen müssen.

»Es wird durch den Hochschulrat erstmals ein nicht mehr an der Hochschule orientiertes Instrument eingeführt«, befürchtet etwa der Dekan des Fachbereichs Architektur, Helmut Geistefeldt und fügte hinzu: »Seine Mitglieder haben nicht nur die Interessen der Hochschule im Blick«. Die Angehörigen der Hochschulen wiederum hätten nur noch sehr wenige Möglichkeiten, Fehlentwicklungen abzustellen. Guido Niemeyer äußerte eine Befürchtung, die viele Kritiker des Gesetzes angesichts der externen Besetzung des Gremiums haben, nämlich dass Unternehmen immer mehr an Einfluss auf die Hochschulen gewinnen und sie nach ihren Wünschen zurichten würden.

Offenbar sieht selbst Christian Lindner, Wissenschaftspolitischer Sprecher der FDP, diese Gefahr: »Ich warne davor, nur Unternehmer in den Hochschulrat zu berufen«, sagte er bei der Diskussion. Die Gefahr einer Entdemokratisierung der Hochschulen sieht Lindner aber nicht: »Die Leitung ist demokratisch legitimiert, denn der Senat wählt mit«, behauptete Lindner. Das ist aber nur die halbe Wahrheit, im Gesetz heißt es: »Die Mitglieder des Hochschulrates werden vom Ministerium für eine Amtszeit von fünf Jahren bestellt«. Zwar muss der Senat mit Stimmenmehrheit die Liste eines Auswahlgremiums bestätigen, in dem hat der Senat aber nur zwei von sechs Stimmen.

Transparenz des Vatikans

Auch ein weiterer Kritikpunkt am Hochschulrat kam bei der Diskussion am Freitag zur Sprache: Er tagt grundsätzlich nicht-öffentlich. »Wenn eine Diskussion noch nicht abgeschlossen ist, ist es besser, wenn sie nicht öffentlich ist«, lautet die Begründung Michael Brinkmeiers für das Prinzip, das Guido Neimeyer als »die Transparenz des Vatikans« bezeichnete.

Daneben, dass das Gesetz ein weniger an Selbstbestimmung oder gar das Ende der Gruppenuniversität bringt, in der die jeweiligen Statusgruppen ein Mitbestimmungsrecht haben, fürchten viele dass die Hochschulen von Bildungseinrichtungen zu Unternehmen werden. »Sie sind verpflichtet, unternehmerischer zu denken, auch wenn sie kein Unternehmen sind«, sagte denn auch Michael Brinkmeier. Dass Hochschulen denn doch auch keine ganz richtigen Unternehmen werden sollen, betonte auch Beate Rennen-Allhoff: »Unis sollen jetzt nicht Wirtschaftsunternehmen Konkurrenz machen«, erklärte die FH-Rektorin. Wäre ja noch schöner, könnte man hinzufügen, wenn neoliberaler Hochschulumbau der »freien Wirtschaft schaden« würde.

Viele befürchten, dass bei  »unternehmerischem Denken« unrentable Fächer unter die Räder kommen könnten und nur der an die Hochschulen kommt, der entsprechende Mittel mitbringt. »Chancengleichheit wird es in diesem System nicht mehr geben«, meinte auch Manni Maulwurf. Christian Lindner sieht da aber kein Problem. Auf die Frage der souveränen Moderatorin Claudia Fischer, wo im Hochschulrat das soziale Gewissen sei, behauptete er: »De facto haben wir in Nordrhein-Westfalen Chancengleichheit«.

Auch Michael Brinkmeier entlockte Claudia Fischer Erstaunliches: Auf ihre mehrfache Nachfrage, was das Gesetz der Bildungspolitik bringe, sagte er wörtlich: »Da sind im Ministerium jetzt einige Leute beschäftigungslos, mal kucken, wie wir mit denen jetzt umspringen«.