Webwecker Bielefeld: Kleidung fällt nicht vom Himmel (13.12.2006)

Kleidung fällt nicht vom Himmel (13.12.2006)



Im Museum Wäschefabrik über die aktuelle Kleidungsproduktion gesprochen(v.l.n.r.): Annabelle Mayntz (Art at Work), Monika Grosche, Pip Cozen (Art at Work), vorne: Lucie Schooß, Laurenz Junker, Schüler der Laborschule Bielefeld, 7. Klasse. Foto: Henrike Hannemann


Von Manfred Horn

 H & M, C & A und so weiter: Kleidung ist günstig in Deutschland. Und was günstig ist, wird gerne genommen. Statistisch gesehen kauft jeder Deutsche jährlich 18 Kilogramm Kleidung und versenkt sie in seinem Kleiderschrank. Die günstigen Preise macht vor allem die Produktion im Ausland möglich, wo 90 Prozent der Kleidungsstücke, meistens zu Hungerlöhnen, hergestellt werden.

Neu gekaufte Kleidung ist aber nicht sauber: Vor dem ersten Anziehen sollte man sie fünf bis sechs mal waschen, damit die auswaschbaren Pestizide und Chemikalien raus gehen. Rückstände von Chlorverbindungen, Azofarben und Formaldehyd sind nicht auswaschbar. Das Gewicht eines T-Shirts kann bis zu einem Drittel aus Chemierückständen bestehen. »Es ist absurd, Chemikalien in Deutschland zu verbieten und als krebserregend einzustufen, wenn wir sie uns mit unserer Kleidung zurück importieren«, findet die Bielefelder Künstlerinitiative Art at Work.


Trotz Verbots ist Kinderarbeit normal

Die Textilindustrie in Westfalen ist fast verschwunden, wie in anderen Regionen Deutschlands und Westeuropas auch. Geblieben sind lediglich Sektoren wie Design und Marketing, Produktionen sind fast gänzlich in die Billiglohnländer verschoben worden. Die Weltmarktfabriken sind rechtsfreie Zonen. Die Kampagne für Saubere Kleidung (international CCC – Clean Clothes Campaign), die internationale Arbeitsorganisation (ILO) und viele weitere Organisationen fordern Mindeststandards wie Arbeitsschutz, Versammlungsfreiheit, Schutz vor Diskriminierung, besonders aber einen existenzsichernden Lohn. Kinderarbeit ist zwar weltweit verboten, aber in der Textilindustrie vieler Länder normal, die Ausbeutung als menschliche Ressource ist Standard.

Außerdem ist die Textilindustrie eine der ökologisch schlimmsten Branchen, mit unabsehbaren Folgen für die Umwelt vieler Länder. Ganze Landstriche in Indien sind verseucht, durch bis zu 20mal im Jahr aufgebrachte Pestizide sind das Grundwassersystem und die Böden zerstört, Trinkwasser muss oft für ein Drittel des Gesamtlohnes gekauft werden. Fair gehandelte Textilien, am besten aus kontrolliert biologischem Anbau sind eine Lösung. In Deutschland gibt es allerdings nur wenige Anbieter. Natürlich ist die Kleidung oft teurer. Allerdings wird dabei gerne übersehen, wie viel Geld für Markenkleidung mit Logos ausgegeben wird.

»Viele schimpfen, weil T-Shirts aus Biobaumwolle und auch fair gehandelte teurer sind, aber für Markenklamotten geben sie gerne viel Geld aus«, sagt die 14-jährige Sophie, die schon an einem Projekttag von Art at Work zum Thema teilgenommen hat. In Workshops und in Straßenaktionen öffnet Art at Work Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen die Augen für die Produktionsbedingungen eines Großteils unserer Kleidung. Die Künstler wollen mit Straßenaktionskunst diejenigen Menschen erreichen, die sonst kaum mit Themen wie Umweltschutz und Menschenrechten in Berührung kommen.

Im Rahmen des Projekts »Brandneu! Wenn Kleidung schmerzt« setzen sich Schüler einen ganzen Tag lang mit den Themen Kleidung, Marken, Globalisierung, Kinderarbeit und Petizide in Theorie und Praxis auseinander. In einer eigens konstruierten aufblasbaren Weltmarktfabrik können sie in Rollenspielen auch praktische Erfahrung beim Nähen an Maschinen, per Hand und beim Zuschneiden sammeln und lernen die Prozesse einer globalisierten Produktionskette am eigenen Leib kennen. »Jetzt weiß ich, dass die Arbeiterinnen nur ein paar Cent für mein teures T-Shirt bekommen haben, das finde ich unfair. Vielleicht wünsche ich mir zu Weihnachten eins aus Fairem Handel, es müsste aber trotzdem cool aussehen«, sagt die 13-jährige Nele, nachdem sie im Workshop von den Arbeitsbedingungen erfahren hat.

Gefördert wird das Projekt von der NRW Stiftung für Umwelt und Entwicklung, weil es auf ideale Weise Umwelt und Entwicklung miteinander verbinde und bereits bei Kindern ein Problembewusstsein wecke.


In 2007 gibt es neue Workshops und Events. Buchungen sind möglich unter 0521.65 9 64 oder info@art-at-work.org Weitere Informationen unter www.art-at-work.org