Webwecker Bielefeld: Erbbedingt ohne Kinder (29.11.2006)

Erbbedingt ohne Kinder (29.11.2006)



Von Manfred Horn

Auch in der Neuauflage dieses Jahres enthält das Konzept der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Bethel im Evangelischen Krankenhaus Bielefeld eine zweifelhafte Passage zur genetischen Forschung und ihrer Bedeutung für die Behandlung psychisch Kranker.

Das Konzept (hier herunterladbar: http://www.evkb.de/img/ejbfile/Konzept-Psychiatrie-EvKB-06-03-22.pdf?id=1610) stellt auf den Seiten 18 und 19 dar, wie die Klinikleitung die Bedeutung der Vererbung für die Entstehung von psychischen Krankheiten sieht. »Die genetische Forschung zeigt uns die sehr unterschiedlich ausgeprägte Bedeutung von Erbfaktoren für die Bereitschaft, an einer psychischen Störung zu erkranken«, heißt es auf Seite 18. Das genetische Risiko von Kindern Erkrankter sei »bei einigen Störungen deutlich erhöht«. Dies sei zu berücksichtigen, »wenn Erkranke bei bestehendem Kinderwunsch oder die Kinder selbst einen Beratungsbedarf formulieren«. Dies gelte besondern , wenn psychosozialer Stress auftritt, beispielsweise Arbeitslosigkeit.

Die Vererbung psychischer Krankheiten wird damit bejaht. In dem Abschnitt des Konzepts finden sich auch Aussagen, dass es eine genetische Forschung gebe, die Erbfaktoren ausgemacht habe, die von Bedeutung seien für die Bereitschaft, psychisch zu erkranken. Keine Aussage macht das Konzept darüber, bei welchen psychischen Störungen dergestalt beraten wird, dass ein Kind nicht empfangen beziehungsweise gezeugt werden sollte.

Auf das Konzept stieß ein Betroffener, der in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Bethel behandelt wurde. Er äußerte Bedenken und fordert, dass das Konzept überarbeitet wird. Die Forschungsergebnisse seien nicht gefestigt.

Auch bezieht sich der Patient, der namentlich nicht genannt werden will, auf eine Fußnote im Konzept. Dort heißt es: »Die historischen Erfahrungen aus nationalsozialistischer Zeit haben gezeigt, dass eine Wissenschaft, die den Patienten lediglich als Objekt der Forschung betrachtet, in der Gefahr ist, sich letztlich gegen den Menschen zu wenden«. Der Einwand des Patienten: Die Wissenschaft stand nicht nur in der Gefahr, sich letztlich gegen den Menschen zu wenden, vielmehr tat sie es. In der Fußnote heißt es weiter:  »Durch die Reformbewegung in der Psychiatrie ist es zu einer kritischen Aufarbeitung dieser Vergangenheit sowie zu einer Humanisierung der Versorgung und Behandlung psychisch Kranker gekommen, die das Fundament unserer heutigen klinischen Arbeit darstellt«. »So ein Absetzversuch der heutigen Psychiatrie von diesem Teil der Geschichte eignet sich nicht für eine Fußnote«, entgegnet der Patient. Die Fragestellung sei zu brisant, um in eine Fußnote gebannt zu werden. »Wer die Klinik für Psychiatrie in Bethel aufsucht, befindet sich in einer schweren seelischen Krise und ist in der Regel nur allzu bereit, die Beratungsangebote von Therapeuten unhinterfragt entgegen zu nehmen«. Deswegen solle die Klinikleitung ihr Konzept überarbeiten.

Der Patient ist über ein Pseudonym per Mail zu erreichen: Robert.Borne@web.de