»In der Regel gehen wir davon aus, dass
Eltern und Kinder zusammen gehören.« Andrea Buchwald erklärt, worum es in ihrer
Arbeit geht. »Wir wollen die Elternfunktion stützen. Aber der Schwerpunkt liegt
auf dem Wohl des Kindes.«
Die 37-Jährige ist Mitarbeiterin in der
sozialpädagogischen Familienhilfe des Evangelischen Gemeindedienstes im
Evangelischen Johanneswerk. Ihr Arbeitsalltag: Sie hilft Familien, die
schwerwiegende Probleme haben und die Erziehung ihrer Kinder nicht in den Griff
bekommen. Das bedeutet Beratungsgespräche, Hausbesuche, Hilfestellungen. So
können sich die Sozialarbeiterinnen ein Bild von der Familie und ihrer
Situation machen. »Wir sind auch Vermittler zwischen der Familie und Institutionen,
wie Schulen oder Ärzten«, sagt Buchwald. Dabei geht es nicht nur darum, den
Eltern den Rücken zu stärken, sondern auch die Verhältnisse zu beobachten und
Gefahren zu erkennen. »Das ist immer auch eine Gratwanderung.«
Manchmal merken die Mitarbeitenden des Gemeindedienstes,
dass ihr Angebot nicht ausreicht, um die Probleme der Familien einzugrenzen. »Zwar
werden die Eltern immer mit einbezogen, aber in erster Linie gilt: Was brauchen
die Kinder«, erklärt die 48-jährige Carola Wolf, Abteilungsleiterin
Erzieherische Hilfen. Sind Eltern mit der Erziehung überfordert, kann auf
teilstationäre Angebote wie Tagesgruppen oder stationäre Angebote wie
Pflegefamilien oder Wohngruppen zurückgegriffen werden. So können die Kinder
engmaschiger betreut werden. Der Gemeindedienst schaltet sich dann erneut ein,
wenn die Kinder wieder zu Hause einziehen sollen. Den Mitarbeitenden des
Gemeindedienstes ist es wichtig, über den Tellerrand zu schauen. »Wir sind
Netzwerker«, erklärt Wolf. Wenn die Angebotspalette ausgeschöpft ist, werden
andere Dienste eingeschaltet oder die Behörden informiert. »Es gibt einen
Punkt, an dem wir nicht mehr schweigen«, betont Buchwald. »Wenn das Kindeswohl
gefährdet ist, müssen wir das Jugendamt einschalten.« Allerdings werden die
Eltern über diesen Schritt vorher informiert: Transparenz ist wichtig.
Oft wird die Abteilung Erzieherische Hilfen,
zu der die sozialpädagogische Familienhilfe gehört, vom Jugendamt oder anderen
Fachdiensten kontaktiert, mit der Bitte, sich um eine Familie zu kümmern.
Manchmal kommen Familien aber auch von selbst, wenn sie erkennen, dass sie
Schwierigkeiten haben. In jedem Fall ist es wichtig, eine gute Arbeitsbeziehung
herzustellen. Wenn das gelingt, gibt es häufig eine Verbesserung im Alltag der
Familien. Kleine Erfolgserlebnisse helfen, die Motivation zu steigern. »Uns ist
es wichtig, dass wir die Familien nicht bevormunden«, sagt Andrea Buchwald. »Sie
sollen merken, dass es ihnen hilft, wenn wir kommen. Wir erarbeiten Ziele,
suchen nach neuen Lösungswegen und probieren diese gemeinsam aus.«
Zur Abteilung Erzieherische Hilfen gehört
auch die Jugend- und Familienhilfe für Familien mit ganz unterschiedlichen
Fragen und Problemen. »Das kann zum Beispiel heißen, sie durch den Behörden-Dschungel
zu begleiten«, erklärt Wolf. Hier kann sich jede Familie melden, die Hilfe
braucht. »Jeder hat das Recht auf Unterstützung«, meint Wolf.
Knappe Mittel erschweren die Arbeit
Trotzdem macht sich auch im Evangelischen
Gemeindedienst deutlich bemerkbar, dass in der Sozialarbeit die finanziellen
Mittel gekürzt werden. »Dringende Fälle werden natürlich vorgezogen«, erklärt
Wolf. »Trotzdem würden wir gern präventiver arbeiten. Weil die Beratung dann
nicht mehr so lange dauert, würde sich das auch rechnen.« Der Gemeindedienst
hätte gerne mehr Kapazitäten. »Für Familien ist es schlecht, in der Warteschleife
zu hängen. Wenn Sie ein paar Monate warten müssen, heißt das auch, dass die
Probleme ein paar Monate lang nicht angepackt werden«, weiß Wolf. Obwohl die
Familien aufgrund ihrer wirtschaftlichen Lage immer größere Probleme haben,
werden die Mittel gekürzt. Andrea Buchwald bringt es auf den Punkt: »Die Schere
geht immer weiter auseinander«.