Von Manfred Horn
Die
Fraktion der Grünen fragt in der nächsten Sitzung des Jugendhilfeausschusses am
8. November nach dem Kindeswohl. Anlass sind die immer wieder kehrenden
Vernachlässigungen von Kindern in Deutschland. Alleine in 2005 wurden
bundesweit 2905 Misshandlugnen und 1178 Fälle von Vernachlässigungen
regisitriert, Experten gehen zugleich von einer Dunkelziffer von 90 Prozent
aus.
Zuletzt
erregte der Tod des zweijährigen Kevin in Bremen bundesweit Aufmerksamkeit. Das
Kind blieb in der Obhut seiner drogenabhängigen Eltern, obwohl es Hinweise auf
Vernachlässigungen und Misshandlungen gab. Als die Mutter starb, kam ihr
Lebensgefährte in eine Psychatrie und Kevin in ein Kinderheim. Nach neun Tagen
holte ihn der wieder aus der Psychatrie entlassene Vater ab. Das Heim gab dem
Vater das Kind mit, obwohl das Kind mit gebrochenen Knochen und Untergewicht
eingeliefert wurde. Das Jugendamt hatte so entschieden. Wenige Monate später,
im Oktober, brach die Polizei die Wohnungstür des Vaters auf und fand Kevin tod
im Kühlschrank.
Eine
solch schreckliche Geschichte hat sich in Bielefeld bisher nicht ereignet. Die
Grünen wollen nun wissen, wie gut das Jugendamt aufgestellt ist, damit auch in
Zukunft in Bielefeld solche Kinder geschützt werden. Im Dienstleistungszentrum
Jugend, Soziales, Wohnen, in dem das Jugendamt eingegliedert ist, hat es in
den vergangenen Jahren verordenete Einsparungen gegeben eine Parallele zu der
Situation in Bremen. Dort geriet die Leitung des Jugendamtes nach dem Mord an
Kevin auch unter Druck, weil sie auf die Mitarbieter enormen Spardruck ausgeübt
haben soll. Als Konsequenz aus dem Mord sind in Bremen vorübergehend neun neue
Mitarbeiter beim Jugendamt eingestellt worden.
Alleine
für 2006 ergibt sich in Bielefeld im Bereich der wirtschaftlichen Jugendhilfe
ein mögliches Einsparvolumen von zwei bis drei Millionen, hat die Verwaltung
errechnet. Das freut den Stadtkämmerer, dürfe aber nicht zu Lasten der Kinder
gehen, sagen die Grünen.
Im Zweifel gegen die Elternrechte
»Das
Kindeswohl ist dabei gegen die Elternrechte abzuwägen«, sagt Klaus Rees,
Fraktionsgeschäftsführer der Grünen im Rat. Im Zweifel hat der Staat durchaus
Möglichkeiten, einzugreifen. Kinder werden »in Obhut genommen«, wenn eine
Vernachlässigkeit festgestellt wird. Sie werden für einen begrenzten Zeitraum
bei einer Pflegefamilie untergebracht. Zeigt sich, dass der oder die
Erziehungsberechtigten nicht dauerhaft für das Kind sorgen können, kann das
Jugendamt das Familiengericht anrufen, welches den Eltern das Sorgerecht
entziehen kann. Dann wird das Kind in einer stationären Einrichtung
untergebracht. »Wir wollen bei diesem Thema mehr Transparenz und Öffentlichkeit
herstellen«, sagt Matti Bolte von der grünen Ratsfraktion. So seien in
Bielefeld bisher nicht die Fallzahlen bekannt, wiewiele Kinder in Obhut
genommen werden.
Bessere Perspektive für geduldete Kinder und Jugendliche
Ebenfalls
im Jugendhilfeausschuss fragen die Grünen auch nach der Situation geduldeter
Kinder und Jugendlicher in Bielefeld. Sie sind, wie ihre Eltern auch, ständig
von Abschiebung bedroht und erhalten immer wieder nur zeitlich eng befristete
Aufenthaltsgenehmigungen. Unbekannt ist ihre genaue Zahl, unter anderem dies
wollen die Grünen wissen. Seit gut zwei Jahren besteht zwar Schulpflicht für
geduldete Kinder, eine Ausbildung dürfen sie aber bis heute nicht anfangen. Am
16. November kommt die Innenministerkonferenz zusammen, unter anderem um zum
wiederholten Mal über eine Regelung der Duldung zu diskutieren. Möglich, dass
es zu einer Altfallregelung kommt. Dies würde bedeuten, dass Menschen, die vor
einem bestimmten Stichtag in der Bundesrepublik als Geduldete leben, einen
sicheren Aufenthaltsstatus bekommen. »Wir wollen mit unserem Antrag auch auf
die Situation der Geduldeten aufmerksam machen«, sagt Klaus Rees.
Ob es
eine bundesweite Neuregelung gibt und wie sie ausfällt, ist zur Zeit noch
offen. Die Landesregierung Bayern will beispielsweise, das Flüchtlinge aus dem
Irak ausgenommen werden. Das Bundesamt für Migration ist seit der Entmachtung
Saddam Husseins vor drei Jahren sogar dabei, irakischen Flüchtlingen, die als
solche auch vom Bundesamt anerkannt wurden, ihren Status wieder
abzuerkennen.Davon betroffen sind bisher 18.000 Flüchtlinge aus dem Irak.
Von
der Neuregelung des Bleiberechts verspricht sich die grüne Ratsfraktion, dass
das Arbeitsverbot fällt. »Es heißt immer, Flüchtlinge liegen uns auf der
Tasche. Gleichzeitig ist es aber so, dass sie hier gar nicht arbeiten dürfen«,
sagt Rees und fügt an: »Da geht ein großes gesellschaftliches und ökonomisches
Potential verloren«. Die Nachrangigkeit der Beschäftigung wolle man aber nicht
antasten. Damit ist gemeint, dass Flüchtlinge bei der Job-Suche nur dann zum
Zug kommen, wenn kein Deutscher oder EU-Bürger ihn machen will. »Da können wir
gar nicht ran, das ist EU-weit so festgelegt«, erklärt Rees.