Wie in einer Neuauflage der Containershow Big Brother müssen sich
Bewohner eines Senioren in einem Altenheim in Herzebrock-Clarholz vorkommen:
Sie wurden von zehn Videokameras beobachtet. Nach Angaben der Heimleitung
sollte die Überwachung ihrem Schutz dienen. Das Verwaltungsgericht Minden hielt
diese Praxis in der vergangenen Woche grundsätzlich für zulässig.
Von Mario A. Sarcletti
Zur Sicherheit: Videoüberwachung. Dies ist ein gern gebrauchtes
Argument dafür, dass immer mehr Kameras Bürger beobachten. Die Betreiberin
eines Seniorenheimes in Herzebrock-Clarholz sah das auch so und installierte in
dem Heim zehn Videokameras, die Treppenhäuser, Flure und den Aufenthaltsraum
überwachten. Die Bilder wurden in das Schwesternzimmer übertragen und außerdem
drei Wochen gespeichert.
Auch hier soll die Videoüberwachung dem Schutz dienen, in diesem Fall
bei Stürzen oder vor unbemerkten Eindringlingen. In der vergangenen Woche wurde
der Fall vor dem Verwaltungsgericht Münster verhandelt. Geklagt hatte aber
nicht ein an Bürger- und Datenschutzrechten interessierter Heimbewohner.
Vielmehr sah die Heimaufsicht des Kreises Gütersloh in der Maßnahme einen
Verstoß gegen den Datenschutz. Bei der Verhandlung kam es zu einem Vergleich.
»Eine Überwachung des Aufenthaltsraums
findet zukünftig nicht mehr statt«, lautet der nach Angaben des
Verwaltungsgerichts. Außerdem dürfen die Bilder nur noch 72 Stunden gespeichert
werden. Das Gericht widersprach aber der Einschätzung der Heimaufsicht, dass in
der Frage »die Bestimmungen für die Überwachung öffentlich zugänglicher Räume einschlägig«
seien.
Der Bielefelder Künstler padeluun vom
»Verein zur Förderung des bewegten und unbewegten Datenverkehrs (foebud)«,
bundesweit bekannter Jäger von »Datenkraken«, kritisiert das Urteil. »Ich habe
noch nie gesehen, dass eine Kamera jemandem auf die Beine geholfen hat«,
widerspricht er dem Argument, dass die Kameras zum Schutz der Senioren
angebracht sind. »Das Urteil zeigt auch, dass Unrecht, auch wenn Richter
Unrecht sprechen, Unrecht bleibt«, findet padeluun.
Für ihn passt der Umgang mit den Senioren
in dem Altenheim ins System der Betreuung alter Menschen, wie es heute
existiert. »Das sind Orte, an denen Menschen von ihren Menschenrechten entfernt
werden«, erklärt padeluun. »Wir müssen uns dagegen wehren, dass Menschen, wenn
sie als Konsumenten nicht mehr brauchbar sind, nur noch verwaltet werden, bis
man sie per Posaunenchor unter die Erde bläst«, fordert der
Bürgerrechtsaktivist vom foebud, der unter anderem die jährliche Verleihung der
Big Brother Awards organisiert. Im Rennen um den »Oscar für Datenkraken« 2007
dürfte jetzt auch das Altenheim aus Herzebrock-Clarholz sein.