- Großer Erzähler des 20. Jahrhunderts: Am Montag 30. Oktober kommt György Konrád in die Zentralbibliothek
Die Literaturtage 2006 der Stadtbibliothek sind am Montag
eröffnet worden. In den kommenden Wochen bis 1. November folgen eine Reihe von
Lesungen. So etwa, passend zur Frankfurter Buchmesse mit ihrem Schwerpunktland
Indien, am Mittwoch, 11. Oktober, eine Lesung mit neuer indischer Literatur.
Babara Frey liest Ausschnitte aus Namita Gokhales Roman Shakuntala, und aus
Erzählungen von Paul Zachariah, von dem 2004 in Deutsch eine Erzählsammlung
unter dem Titel »Baskhara Pattelar und andere Geschichten erschienen ist. Am
16. Oktober dann geht es weiter in der Stadtteilbibliothek Dornberg mit einer
Lesung mit Felicitas Hoppe, der »Handwerkerin des Rätselhaften«. Herausragend
ist sicher die Lesung mit György Konrád am 30. Oktober
Das Programm
Mittwoch 11. Oktober 20 Uhr, Zentralbibliothek
Neue indische Literatur:
Namita Gokhale und Paul Zachariah
Montag 16. Oktober 20 Uhr, Stadtteilbibliothek Dornberg,
Wellensiek 110
Felicitas Hoppe
Wie geht man mit einer Figur
um, die jeder zu kennen glaubt, und über die auch in der Kunst längst alles
gesagt scheint? In einer Zeit, in der zwar viel erzählt aber nichts gehört
wird, bleibt Johanna eine Provokation. Dies ist ein Buch, das davon handelt,
wie man Geschichte macht, wenn man erzählt. Auf den Gang der Geschichte
antwortet diese »Johanna« mit der Passion der Literatur, auf die Passion der
Johanna mit einem Gespräch über unsere eigene Angst. Felicitas Hoppe verzichtet
auf die Rekonstruktion der Biographie. Stattdessen erzählt sie mit historischer
Genauigkeit und poetischer Intensität einen Traum von der Wirklichkeit denn
was sind Bücher gegen die Welt?
Felicitas Hoppe, geboren 1960
in Hameln, gilt als »Handwerkerin des Rätselhaften«. 1996 erschien ihr Debüt
»Picknick der Friseure«, nach einer Weltreise auf einem Frachtschiff folgte der
Roman »Pigafetta« und 2004 »Verbrecher und Versage«. Sie wurde mit zahlreichen
Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Aspekte-Literaturpreis.
Donnerstag, 19.
Oktober 20 Uhr, Zentralbibliothek
Ulrike Draesner
Wie hängt die
private Geschichte mit dem Lauf der Welt zusammen? Katja ist eine erfolgreiche
Fotojournalistin: Bilder von privaten Dramen inmitten gesellschaftlicher
Umbrüche haben sie berühmt gemacht. Jetzt, nach 20 Jahren des Reisens, ist sie
ihres Berufs müde und erfährt, wie sehr auch ihr eigenes Leben von der großen
Geschichte bestimmt wurde, so vom Geiseldrama bei den Olympischen Spielen in
München 1972. »Spiele« entwirft ein großes Gesellschaftspanorama. Mitten darin
und von den weltgeschichtlichen Ereignissen auf verblüffende Weise mitbestimmt:
die virtuos erzählte Geschichte einer zarten, verhinderten Liebe.
Ulrike Draesner, promovierte
Germanistin, Essayistin, Romanautorin wurde vielfach für ihre herausragende
Literatur sowie für ihre besonders guten Lesungen ausgezeichnet: zum Beispiel
Hölderlin-Förderpreis, Preis der Literaturhäuser.
Freitag 20. Oktober
20 Uhr, Zentralbibliothek
D.B. Blettenberg
»Sie müssen den Mann unbedingt
finden.« »Keine einfache Aufgabe.« Ich verfolgte die Spur nicht alleine. Das
machte den Auftrag in Südafrika besonders gefährlich. Wohin mich der Weg von
Kapstadt aus auch führte, wen immer ich am Western Cape traf, stets bewegte ich
mich in der Nähe dieser Frau und im Schatten ihres Geliebten. Zugegeben: Es
schwebte auch ein Schutzengel über alledem. Er ließ nur ziemlich lange offen,
wen er vor dem Tod retten wollte.
Der neueste Krimi von D.B.
Blettenberg ist größtenteils in Südafrika angesiedelt. Ein spannender
Polit-Thriller von internationalem Format und Niveau, geschrieben in einer
überaus klaren und lesbaren Sprache. Für seinen hervorragenden Krimi »Berlin
Fidschitown« (Pendragon, 2003) erhielt er zum dritten Mal den Deutschen
Krimi-Preis.
Montag 23. Oktober 20 Uhr, Zentralbibliothek
Peter Kurzeck
Frankfurt/Main, März 1984. Der Schriftsteller am
existenziellen Nullpunkt: von seiner Freundin getrennt und kurz zuvor seine
Arbeit verloren. Glücklicherweise gibt es da einen Bekannten aus dem
Kinderladen, der ihm zwei Zimmer in seinem Haus anbietet
Peter Kurzeck, Jahrgang 1943, als Flüchtlingskind
aufgewachsen, lebte in Frankfurt am Main und in Uzès, Südfrankreich. Seit
Jahren verknüpft und verschränkt Peter Kurzeck seine mittlerweile neun Bücher
zu einem einzigartigen monumentalen Erinnerungswerk und zu einem einzigen
autobiographischen Zeitroman, »Wenn ich mich nicht erinnere, ist der Tag nicht
gewesen«. Die Faszination entsteht in dem Moment, in dem man in das Labyrinth
seiner Beobachtungen eintaucht und ihm zuhört. »Peter Kurzeck wurde zu Recht
mit Proust, Joyce und Döblin verglichen, auch wegen seiner eigenwilligen,
schöpferischen Syntax«, heißt es in der Begründung des Literaturhaus-Preises
2004. Ein Vortragskünstler ist er zudem.
Donnerstag, 26. Oktober 20 Uhr, Zentralbibliothek
Ilija Trojanow
Einführung: Jörg Drews,
Universität Bielefeld
Anstatt in den Kolonien die englischen
Lebensgewohnheiten fortzuführen, lernt Richard Burton (1821-1890) wie besessen
die Sprachen des Landes, lebt mit einer Kurtisane in Indien, konvertiert später
zum Islam, pilgert unerkannt nach Mekka und reist als erster Europäer zu den
Quellen des Nils. Trojanows farbiger Abenteuerroman über diesen Exzentriker spiegelt
so in einer faszinierenden historischen Gestalt die drängenden Fragen unserer
Gegenwart. Mit Musik- und Texteinspielungen durch den Autor.
Der Adelbert-von-Chamisso-Preisträger und
Bestseller-Autor ist ein Weltbürger: 1965 in Bulgarien geboren, Asyl in
Deutschland, lebte in Kenia und Frankreich, nach langen Weltreisen wohnt er
heute in Kapstadt. Trojanow gründete einen Verlag für afrikanische Literatur,
schrieb eindrückliche Reiseberichte und den vielleicht großartigsten Roman des
Jahres.
Montag 30.
Oktober 20 Uhr, Zentralbibliothek
György Konrád
Der große europäische
Romancier und Essayist György Konrád, Jahrgang 1933, blickt zurück auf ein
Leben, das reicher an Glücks- und Leidensgeschichten nicht hätte sein können.
Mit elf Jahren in Ungarn nur knapp der Deportation ins Konzentrationslager
entgangen, nachdem Vater und Mutter bereits verschleppt worden sind, erlebt
György Konrád später hautnah die Wirren der stalinistischen Nachkriegsdiktatur
und den Volksaufstand von 1956. Als die KP den jüdischen Intellektuellen mit
einem Berufs- und Publikationsverbot belegt, entscheidet er sich trotz der
Umstände für das Bleiben, das Schreiben im Untergrund.
In knappen Sätzen skizziert György Konrád in den beiden autobiografisch geprägten
Romanen die Bilanz seines Lebens, unterlegt mit dem Generalbass einer
optimistischen Weltsicht. Der Demokrat und Dissident, Träger des
Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, war ab 1990 Präsident des
internationalen P.E.N. und von 1997 2003 Präsident der Akademie der Künste,
Berlin.
Mittwoch 1.
November 20 Uhr Zentralbibliothek
Oskar Pastior
Einführung: Jörg Drews,
Universität Bielefeld
Der Sprachakrobat und
einzigartige Lyriker Oskar Pastior wurde in Siebenbürgen, Rumänien, geboren,
studierte Deutsch in Bukarest und schreibt seit 1969 in Berlin. Er istauch
als Mitglied des Bielefelder Colloquiums Neue Posie bekannt. Nun wird
er mit dem wichtigsten Literaturpreis der Bundesrepublik, dem Büchner-Preis am
12. Oktober 2006 ausgezeichnet.
Oskar Pastiors
unnachahmliche Interpretation seiner eigenen sinnlich-mehrsinnigen Texte trifft
auf Gabriele Haslers aberwitzige Stimmkunst und Roger Hanschels sensibles
Saxophonspiel: Klangpoesie in reinster Form. In dieser Besetzung entstand
unter anderem nach neuen, bislang unveröffentlichten Texten die im Herbst
2006 erscheinende Lyrik-CD »frösche und teebeutel«.
Kartenvorverkauf
in der Zentralbibliothek am Jahnplatz, Di, Mi, Fr von 10 bis 18 Uhr, Do 11 bis
19 Uhr, Sa 10 bis 13 Uhr. Eintritt 7/5 Euro. Weitere Informationen: www.stadtbibliothek-bielefeld.de