Von
Mario A. Sarcletti
»Im Rahmen des Bürokratieabbaus ist Naturschutz zum
Feindbild geworden«, klagte am vergangenen Mittwoch Dietmar Stratenwerth,
Vorstand der Stiftung für die Natur Ravensberg. Er war der Gastgeber einer
Podiumsdiskussion zu den Plänen für ein neues Landschaftsgesetz in
Nordrhein-Westfalen am vergangenen Mittwoch. Betrachtet man diese Pläne,
scheint Stratenwerth Recht zu haben.
Denn die Landesregierung will die Rechte der
Naturschutzverbände einschränken. So soll das Recht der Verbandsklage auf
Bundesgesetze beschränkt, die Mitwirkungsrechte der Naturschützer bei Planungen
sollen eingeschränkt werden. Außerdem will die Landesregierung die
Landschaftsbeiräte bei den Bezirksregierungen abschaffen, es soll sie nur noch
auf kommunaler Ebene geben.
»Ist es sachgerecht zu behaupten, dass der Naturschutz bei
Planungen zu viel Gewicht hat«, fragte der ehemalige Bielefelder
Umweltdezernent Martin Enderle die etwa 150 Zuhörer bei der Podiumsdiskussion
in einem Einführungsreferat. Oder anders formuliert: »Regiert der Feldhamster
das Land?«. Das possierliche Tierchen war von der CDU im Landtagswahlkampf als
Beweis dafür ins Feld geführt worden, dass der Naturschutz die wirtschaftliche
Entwicklung im Land blockiert. Denn er ist ein Grund, warum Naturschützer sich
gegen den Bau eines Großkraftwerks in Neurath aussprechen.
Für Alexander Schink, Staatssekretär im Umweltministerium,
ist das Tier deshalb ein Symbol für die Durchsetzung von
Umweltschutzinteressen. Klaus Brunsmeier, Landesvorsitzender des BUND, hielt
dem entgegen, dass die Hamsterpopulation auf dem Gelände, auf dem das Kraftwerk
errichtet werden soll, nur ein Argument gegen das Großkraftwerk sei. »Ich finde
es nicht in Ordnung, dass sie behaupten, wir würden nur den Hamster gegen
Neurath ins Feld führen«, kritisierte er Schlink in einer teils emotionalen
Diskussion. Das Gutachten der Naturschützer habe vierzig Seiten, auf Seite 38
tauchen die Hamster auf.
Als Indiz dafür, dass der Naturschutz nicht die
wirtschaftliche Entwicklung blockiere führte Martin Enderle den
Flächenverbrauch im Lande an. Fünfzehn Hektar werden pro Tag in NRW versiegelt,
genau so viel wie in Großbritannien. Als Beispiel vor der Haustür nannte der
Landschaftsplaner die Pläne für einen Erweiterungsbau der Uni.
Vorbild für die Gesetzesnovelle ist die Modellregion OWL, in
der eine »wirtschaftsnahe Verwaltung« erprobt wurde. Aus dem Fachbeirat, der
die Modellregion konzipierte, haben sich die Naturschutzverbände verabschiedet.
»Wir haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht«, sagte dazu Herbert
Dehmel, Vorsitzender des Landschaftsbeirats bei der Bezirksregierung Detmold.
Anfangs habe man die Hoffnung gehabt, dass man in dem Gremium nicht nur
wirtschafts- sondern auch bürgernahe Verwaltung entwickeln könne. Man habe aber
gemerkt, dass das nicht das Ziel der Politiker gewesen. »Da ging es darum, den
Naturschutz herauszusezieren und einzustampfen«, kritisierte Dehmel.
Er gehört, wie Moderator Detlef Reepen vom WDR es
formulierte zu einer aussterbenden Spezies. Denn der Landschaftsbeirat soll
abgeschafft werden. Für Dehmel keine gute Idee, der darauf verwies, dass in dem
Gremium zum Beispiel die Konsenstrasse für die A33 beschlossen wurde. Karsten
Otte, Sprecher der Regionalkonferenz Naturschutz verwies darauf, dass 95
Prozent aller Entscheidungen in dem Gremium, das paritätisch mit Schützern und
Nutzern besetzt ist, einstimmig getroffen werden. Konsens statt Konflikt lautet
das Motto.
Staatssekretär Schink sieht das Gremium aber als nicht
demokratisch legitimiert an und möchte die Landschaftsplanung auf die Ebene der
Kommunen beziehungsweise Landkreise verlagern. »Wir sehen Nordrhein-Westfalen
auf dem Weg in eine Landräterepublik und in die Kleinstaaterei«, hielt dem
Karsten Otte entgegen. Er befürchtet einen Wettlauf zwischen den Kommunen,
welche den besten Standort bietet. »Die Nähe zu Wirtschaftsinteressen ist auf
kommunaler Ebene viel größer«, sagte er. »Die Feierabendpolitiker haben doch
der Wirtschaft nichts entgegenzusetzen«, fügte er hinzu. Klaus Brunsmeier wies
darauf hin, dass eine Verlagerung der Kompetenzen nicht unbedingt zu
Bürokratieabbau führe. »Statt 11 gibt es künftig 54 zuständige Behörden«,
rechnete er vor.
Aber nicht nur durch Abschaffung der mittleren
Landschaftsbehörde will die Landesregierung die Mitwirkungsmöglichkeiten
einschränken. »Wir wollen sie auf enge Naturschutzfragen zurückführen«,
erklärte Alexander Schink. »Wasserrecht gehört da nicht dazu«, skizzierte er
die Vorstellung des Ministeriums. Die Naturschützer prophezeiten, dass die
Einschränkung ihrer Mitwirkungsrechte die Verbände zu vermehrten Klagen zwingen
werde. »Wir werden in die Verbandsklage gezwungen, weil wir nur so unsere
Vorstellungen einbringen können«, warnte Klaus Brunsmeier.
Dass die zum Teil sehr kontroverse Diskussion schließlich
doch noch in Gesprächsbereitschaft mündete, lag auch an Sebastian Meyer-Stork.
Der Unternehmer, der sich in der Stiftung Rieselfelder Windelsbleiche
engagiert, stellte klar, dass wirtschaftsnahe Verwaltung für ihn nicht
bedeutet, dass die Behörden der Wirtschaft gefällig sei. »Wirtschaftsnah ist
nicht wirtschaftsfreundlich«, stellte er klar. »Ich erwarte Kundenorientierung
und eine zügige Bearbeitung von Anträgen«, beschrieb er seine Vorstellung von
wirtschaftsnaher Verwaltung.
Eine Idee Meyer-Storks nahm Staatssekretär Schink mit nach
Düsseldorf. Meyer-Stork schlug vor, die Revitalisierung von Altflächen, also
die Nutzung von ehemaligen Industrieflächen, zu fördern um den Flächenverbrauch
einzuschränken. Die Kommunen sollten dafür ein Altflächenkataster erstellen,
eine Idee, die alle Beteiligten gut fanden. »Wir haben den Bogen von
Konfrontation zur Einladung zum Dialog geschafft«, freute sich schließlich auch
Dietmar Stratenwerth über den Verlauf der Diskussion und schloss die
Veranstaltung mit der Aufforderung: »Lassen sie uns miteinander reden«.