Webwecker Bielefeld: Missbrauchte Hamster (20.09.2006)

Missbrauchte Hamster (20.09.2006)



Ditemar Stratenwerth sieht den Stellenwert des Naturschutzes bei der Landesregierung sinken

Von Mario A. Sarcletti

 

»Im Rahmen des Bürokratieabbaus ist Naturschutz zum Feindbild geworden«, klagte am vergangenen Mittwoch Dietmar Stratenwerth, Vorstand der Stiftung für die Natur Ravensberg. Er war der Gastgeber einer Podiumsdiskussion zu den Plänen für ein neues Landschaftsgesetz in Nordrhein-Westfalen am vergangenen Mittwoch. Betrachtet man diese Pläne, scheint Stratenwerth Recht zu haben.

Denn die Landesregierung will die Rechte der Naturschutzverbände einschränken. So soll das Recht der Verbandsklage auf Bundesgesetze beschränkt, die Mitwirkungsrechte der Naturschützer bei Planungen sollen eingeschränkt werden. Außerdem will die Landesregierung die Landschaftsbeiräte bei den Bezirksregierungen abschaffen, es soll sie nur noch auf kommunaler Ebene geben.

»Ist es sachgerecht zu behaupten, dass der Naturschutz bei Planungen zu viel Gewicht hat«, fragte der ehemalige Bielefelder Umweltdezernent Martin Enderle die etwa 150 Zuhörer bei der Podiumsdiskussion in einem Einführungsreferat. Oder anders formuliert: »Regiert der Feldhamster das Land?«. Das possierliche Tierchen war von der CDU im Landtagswahlkampf als Beweis dafür ins Feld geführt worden, dass der Naturschutz die wirtschaftliche Entwicklung im Land blockiert. Denn er ist ein Grund, warum Naturschützer sich gegen den Bau eines Großkraftwerks in Neurath aussprechen.

Für Alexander Schink, Staatssekretär im Umweltministerium, ist das Tier deshalb ein Symbol für die Durchsetzung von Umweltschutzinteressen. Klaus Brunsmeier, Landesvorsitzender des BUND, hielt dem entgegen, dass die Hamsterpopulation auf dem Gelände, auf dem das Kraftwerk errichtet werden soll, nur ein Argument gegen das Großkraftwerk sei. »Ich finde es nicht in Ordnung, dass sie behaupten, wir würden nur den Hamster gegen Neurath ins Feld führen«, kritisierte er Schlink in einer teils emotionalen Diskussion. Das Gutachten der Naturschützer habe vierzig Seiten, auf Seite 38 tauchen die Hamster auf.

Als Indiz dafür, dass der Naturschutz nicht die wirtschaftliche Entwicklung blockiere führte Martin Enderle den Flächenverbrauch im Lande an. Fünfzehn Hektar werden pro Tag in NRW versiegelt, genau so viel wie in Großbritannien. Als Beispiel vor der Haustür nannte der Landschaftsplaner die Pläne für einen Erweiterungsbau der Uni.

Vorbild für die Gesetzesnovelle ist die Modellregion OWL, in der eine »wirtschaftsnahe Verwaltung« erprobt wurde. Aus dem Fachbeirat, der die Modellregion konzipierte, haben sich die Naturschutzverbände verabschiedet. »Wir haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht«, sagte dazu Herbert Dehmel, Vorsitzender des Landschaftsbeirats bei der Bezirksregierung Detmold. Anfangs habe man die Hoffnung gehabt, dass man in dem Gremium nicht nur wirtschafts- sondern auch bürgernahe Verwaltung entwickeln könne. Man habe aber gemerkt, dass das nicht das Ziel der Politiker gewesen. »Da ging es darum, den Naturschutz herauszusezieren und einzustampfen«, kritisierte Dehmel.

Er gehört, wie Moderator Detlef Reepen vom WDR es formulierte zu einer aussterbenden Spezies. Denn der Landschaftsbeirat soll abgeschafft werden. Für Dehmel keine gute Idee, der darauf verwies, dass in dem Gremium zum Beispiel die Konsenstrasse für die A33 beschlossen wurde. Karsten Otte, Sprecher der Regionalkonferenz Naturschutz verwies darauf, dass 95 Prozent aller Entscheidungen in dem Gremium, das paritätisch mit Schützern und Nutzern besetzt ist, einstimmig getroffen werden. Konsens statt Konflikt lautet das Motto.

Staatssekretär Schink sieht das Gremium aber als nicht demokratisch legitimiert an und möchte die Landschaftsplanung auf die Ebene der Kommunen beziehungsweise Landkreise verlagern. »Wir sehen Nordrhein-Westfalen auf dem Weg in eine Landräterepublik und in die Kleinstaaterei«, hielt dem Karsten Otte entgegen. Er befürchtet einen Wettlauf zwischen den Kommunen, welche den besten Standort bietet. »Die Nähe zu Wirtschaftsinteressen ist auf kommunaler Ebene viel größer«, sagte er. »Die Feierabendpolitiker haben doch der Wirtschaft nichts entgegenzusetzen«, fügte er hinzu. Klaus Brunsmeier wies darauf hin, dass eine Verlagerung der Kompetenzen nicht unbedingt zu Bürokratieabbau führe. »Statt 11 gibt es künftig 54 zuständige Behörden«, rechnete er vor.

Aber nicht nur durch Abschaffung der mittleren Landschaftsbehörde will die Landesregierung die Mitwirkungsmöglichkeiten einschränken. »Wir wollen sie auf enge Naturschutzfragen zurückführen«, erklärte Alexander Schink. »Wasserrecht gehört da nicht dazu«, skizzierte er die Vorstellung des Ministeriums. Die Naturschützer prophezeiten, dass die Einschränkung ihrer Mitwirkungsrechte die Verbände zu vermehrten Klagen zwingen werde. »Wir werden in die Verbandsklage gezwungen, weil wir nur so unsere Vorstellungen einbringen können«, warnte Klaus Brunsmeier.

Dass die zum Teil sehr kontroverse Diskussion schließlich doch noch in Gesprächsbereitschaft mündete, lag auch an Sebastian Meyer-Stork. Der Unternehmer, der sich in der Stiftung Rieselfelder Windelsbleiche engagiert, stellte klar, dass wirtschaftsnahe Verwaltung für ihn nicht bedeutet, dass die Behörden der Wirtschaft gefällig sei. »Wirtschaftsnah ist nicht wirtschaftsfreundlich«, stellte er klar. »Ich erwarte Kundenorientierung und eine zügige Bearbeitung von Anträgen«, beschrieb er seine Vorstellung von wirtschaftsnaher Verwaltung.

Eine Idee Meyer-Storks nahm Staatssekretär Schink mit nach Düsseldorf. Meyer-Stork schlug vor, die Revitalisierung von Altflächen, also die Nutzung von ehemaligen Industrieflächen, zu fördern um den Flächenverbrauch einzuschränken. Die Kommunen sollten dafür ein Altflächenkataster erstellen, eine Idee, die alle Beteiligten gut fanden. »Wir haben den Bogen von Konfrontation zur Einladung zum Dialog geschafft«, freute sich schließlich auch Dietmar Stratenwerth über den Verlauf der Diskussion und schloss die Veranstaltung mit der Aufforderung: »Lassen sie uns miteinander reden«.