Von Manfred Horn
Die Reden sind schon gehalten, doch traut sich die SPD
offenbar nicht, Erde über das Grab zu kippen: Die B66n, die die alte rot-grüne
Bundesregierung im bis heute gültigen Bundesverkehrswegeplan als nicht mehr
prioritär einstuft, könnte eigentlich endlich zu den Akten gelegt werden. Doch
offenbar will sich die SPD bis heute eine Option auf die Umgehungsstraße im
Bielefelder Osten aufrecht erhalten.
Jahrelang kämpfte die Bürgerinitiative gegen die B66n
dafür, dass die Straße nicht gebaut wird. 2003 dann schien die Messe endlich zu
Gunsten der Straßengegner gesungen: Der Bund zog sich zurück, und ohne
Bundesmittel ist die Straße, die rund 90 Millionen Euro kosten würde, nicht zu
finanzieren. Das planungstechnische Fossil aus den 1970er Jahren liegt CDU, BfB
und FDP schwer am Herzen. Doch eigentlich könnten SPD, Grüne, Bürgernähe und
PDS die Straßenpläne endgültig beerdigen, da sie zusammen über eine Mehrheit im
Rat verfügen. Doch die SPD macht da nicht mit.
Als die Grünen am vergangenen Donnerstag einen Antrag in den
Rat brachten, die für die Straße bis heute freigehaltenen Flächen anders zu
nutzen, stimmte die SPD dagegen. In den 1980er Jahren hatte die Stadt rund 22
Hektar Land auf der Trasse aufgekauft. Vieles davon ist Brachland, allerdings
stehen auch 40 Gebäude auf dem Streifen zwischen Heeperstraße und Oldentrup.
Zwölf Millionen Mark nahm die Stadt damals in die Hand. Die Grünen nun wollen
die Fläche für eine städtebauliche Entwicklung freigeben: Will heißen: Bebauung
und Naherholung. Die Stadt könnte den größten Teil der Fläche verkaufen. Wie
genau, dass hätten die Grünen gerne in ein Konzept gegossen, an dem auch die
Anwohner hätten beteiligt werden sollen.
Auf was wartet die SPD?
Die SPD machte keinen Hehl daraus, dass sie nichts davon hält. Sie beantragte, die Neubeplanung der Fläche
in den Umwelt- und Stadtentwicklungsausschuss (UstA) zu verweisen. »Dies ist
eine noch nicht mal elegante Methode, weiter rumzueiern«, hielt Rainer Hahn von
den Grünen in seiner Rede im Rat der SPD entgegen. Horst Grube von der SPD entgegnete lapidar: »Ich weiß noch nicht,
wie lange wir das so weiter machen«. Übersetzt in Subtext lautete die Aussage:
»Was wollt ihr eigentlich. Geht uns nicht auf die Nerven. Hier entscheiden
wir«.
Die SPD kündigte an, die Sache »in aller Ruhe« diskutieren
zu wollen. Dazu hat sie allerdings bereits 30 Jahre Zeit gehabt. Die CDU machte
das Verweisungsspielchen mit: Mit den Stimmen der beiden großen Fraktionen
landet die Zukunft der ehemaligen B66n Trasse nun im UstA, und wird da wohl im
Sand verlaufen.
Grüne ruinieren den Wirtschaftsstandort
Während der Debatte im Rat wurde nochmals deutlich, mit
welcher Vehemenz die Positionen der Parteien aufeinanderprallen. Besonders tat
sich dabei Johannes Delius von der Bürgergemeinschaft für Bielefeld (BfB)
hervor. Die BfB setzt sich wie die CDU und die FDP seit Beginn der Planungen
mit Vehemenz für die B66n ein. Nach der bundesweiten Abwahl von Rot-Grün ziehe
nun endlich wieder verkehrspolitischer Sachverstand ein. An die Adresse der
Grünen gerichtet, sagte er: »Seit sie im Rat sind, geht es mit Bielefeld als
Wirtschaftsstandort kontinuierlich bergab«. Eine Aussage, die er mit dem
Städteranking belegen wollte. So sei Bielefeld dort bei den Ausbildungsplätzen
auf Rang 48 von 50. »Als dies hat mit Infrastruktur zu tun«. Harald Buschmann,
Ratsmitglied der FDP, argumentierte, die Probleme mit der Detmolder Straße gebe
es nicht, wenn eine B66n gebaut werden würde.
Die Bürgerinitiative gegen die B66n, durch die Ratsdebatte
aus ihrem Dornröschenschlaf geweckt, kritisiert nun in einer Stellungnahme die
Entscheidung des Rates, besonders die Haltung der SPD. In einem offenen Brief
an Nicolas Tsapos, Ratsmitglied der SPD, heißt es, die Bürgerinitiative warte
seit langem auf das endgültige Aus für die B66n. In der SPD-Infozeitschrift
Rund um die Oststraße hatte Tsapos erklärt, er werde sich genau dafür
einsetzen. Im Rat stimmte er wie alle aus der SPD-Fraktion jedoch für eine
Überweisung an den UstA. Die Bauprojekte L712n und Detmolder Straße seien
keinesfalls Alternativen zur B66n. Sie würden genauso die Lebensqualität ganzer
Stadtviertel stark beschädigen. Die SPD steht sowohl hinter den Umbauplänen für
die Detmolder Straße wie auch für den Bau einer L712n.
Schneller, höher, weiter
Die B66n ist zum Symbol geworden. Sollte die Stadtverwaltung
unter dem Rathaus in nächster Zeit nicht zufällig große Mengen an Gold
entdecken, kann sie nicht gebaut werden. Denn ohne das Geld vom Bund könnte die
Kommune die Straße gar nicht bezahlen. Ein Bau ist also in weiter Ferne.
Doch ist CDU, FDP, BfB und offenbar auch der SPD der Bau so
wichtig, dass sie tapfer durchhalten. Irgendwann, so hofft man wohl, könne eine
neue Regierung einen neuen Bundesverkehrswegeplan schmieden, in dem die B66n
wieder in den vorrangigen Bedarf kommt. Dass dies eher unwahrscheinlich ist, da
der aktuelle Bundesverkehrswegeplan bis 2015 gilt: geschenkt.
Das CDU, FDP und BfB alleine aus Sicht der Wirtschaft
argumentieren, verwundert nicht. Letztlich sind sie aber genauso wie die SPD in
einem antiquierten Fortschrittsdenken der 1960er Jahre verfangen: Mehr Straßen,
breitere Straßen, bedeutet mehr Butter. Solches Denken ist zutiefst provinziell
und geht an Realitäten und modernen Infrastrukturkonzepten völlig vorbei.
Das Johannes Delius von der BfB die Grünen als Wirtschaftssstandort-Blockierer
ausgemacht hat, ist eigentlich ein deutliches Zeichen wachsender Verzweiflung.
Denn das Argument ist so albern, dass selbst CDU-Ratsmitglieder schmunzeln
mussten. Es scheitert schon daran, dass die Grünen in den meisten
Kommunalparlamenten zumindest der ehemaligen Bundesrepublik sitzen. Demnach
müssten alle nahezu alle westdeutschen Städte, auf den letzten Plätzen der
sowieso fragwürdigen Städterankings liegen. Da erschließt sich nach Jahren
der Sinn der »blühenden Landschaften im Osten«, die ein ehemaliger
Bundeskanzler namens Helmut Kohl besungen hat. Der hat wohl nicht an
Naturschutzgebiete gedacht. Das Weinschorle im Oggersheimer Mund lief zusammen,
als er daran dachte, wie viele Schnellstraßen und Autobahnen im wilden Osten
gebaut werden könnten.
Und die SPD? Sie gibt in dieser Frage ein trauriges Bild ab.
Ohne sich große Mühe zu geben, ihre Macht zu verbergen, spricht sie von
weiterem Diskussionsbedarf. Dabei gibt es seit Jahren keine neuen Argumente.
Die Sozialdemokraten spielen auf Zeit, eine Haltung, die den Verdacht nährt,
auch die Sozialdemokraten wollen ihr Kraftfahrzeug eines Tages doch noch mit
Vollgas über die Stadtautobahn B66n jagen.